„Der Tod ist in der Schule verpflichtend“

Wer in Tschechien kennt nicht die Cesta domů, den „Weg nach Hause“? Die auf palliative Betreuung ausgerichtete Organisation feiert in diesem Jahr ihr 20-jähriges Bestehen, gegründet wurde sie im Frühjahr 2001. 

„Der Tod ist in der Schule verpflichtend“
„Der Tod ist in der Schule verpflichtend“

Cesta domů bietet als ambulantes Hospiz unheilbar Erkrankten und Sterbenden Hilfe an und unterstützt gleichzeitig Hinterbliebene im Umgang mit ihrem Kummer.

Das Sterben gehört zum Leben dazu und ist ein wichtiger Bestandteil davon - das sind Thesen, mit denen Cesta domů die Bevölkerung aufklärt und die die Organisation verbreiten möchte. Über das Sterben und den Tod wurde in der Öffentlichkeit zuletzt wenig gesprochen. Seit der Revolution im November 1989 hat sich die Situation langsam aber sicher geändert und Cesta domů trägt ersichtlich dazu bei.

Einer dieser Beiträge ist eine ganz neu ins Leben gerufene Aktivität mit dem Ziel Schulkinder anzusprechen. Cesta domů wendet sich gewöhnlich mit Bildungsaktivitäten, insbesondere aus dem Bereich der Palliativmedizin, an unsere Mitbürger, darunter Fachleute ebenso wie Laien. Jetzt kam der Gedanke auf, dass es gut wäre, das komplexe Thema von Sterben und Tod auch im Rahmen des Schulunterrichts mit Kindern zu besprechen.

Als ersten Schritt führten wir dazu eine breit angelegte statistische Umfrage durch, in der wir das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten: Erachten Pädagogen es für sinnvoll, das Thema Sterben in den Unterricht zu integrieren? Halten auch die Eltern der Schüler das für sinnvoll? Was denken die Kinder selbst darüber? An der Umfrage nahmen mehr als 1000 Eltern sowie ebenfalls mehr als 1000 Lehrer teil.

Der Abschlussbericht der Umfrage mit dem amüsant anhauchenden Titel „Soll der Tod in der Schule verpflichtend sein?“ wurde im Juni 2021 veröffentlicht.

Eine Grundtendenz der Studie ist folgende:

Die Lehrer stimmen mit den Eltern darin überein, dass in der Schule mehr und offener über den Tod gesprochen werden sollte. Mehr als 70 % der Lehrer denken, dass das Thema Bestandteil des Unterrichts sein sollte. Die Hälfte davon fühlt sich darauf allerdings nicht ausreichend vorbereitet. Gut vorbereitet das Thema anzugehen fühlen sich nur 5 % der befragten Lehrer. Die Eltern hingegen sind in dieser Hinsicht etwas vorsichtiger. 80 % der Eltern sind dafür, dass in der Gesellschaft über den Tod offener gesprochen wird, aber mehr als 30 % sind gegen das Thema als festem Unterrichtsbestandteil. Die Hälfte der befragten Eltern hätte Bedenken den Tod ihren Kindern gegenüber anzusprechen, nur 17 % der Eltern haben ihn bereits mit ihren Kindern thematisiert. Warum ist dem so? „Wenn sich die Perspektive der tschechischen Gesellschaft auf das Sterben und den Tod ändern soll, dann können wir die Kinder nicht aus der Debatte ausschließen“, so die Direktorin von Cesta domů Ruth Šormová.

3.domácí hospic _ foto Daniela Dahlien Neumanová

Außerdem hat Cesta domů in einigen Schulen schon erfolgreich Gesprächsrunden zu dem Thema angeboten und im Rahmen dieser hat sich wiederholt bestätigt, dass es für Kinder überhaupt nicht schwer ist über den Tod zu sprechen. Diejenigen die dem Thema gegenüber keine Vorurteile haben, sind gerade die Kinder.

Es liegt auf der Hand, dass in dieser Richtung etwas geschehen muss. Auch wenn derzeit nicht klar ist, wie genau das aussehen kann, wird darüber diskutiert in welchem Alter man mit den Kindern anfangen kann über das Thema zu sprechen, in welchem Schulfach und wer den Unterricht anleiten sollte, ob ein Lehrer oder ein externer Experte. Es ist in jedem Fall gut, dass Cesta domů die Debatte angestoßen hat und es zeigt sich, dass es jetzt ernsthaft diskutiert wird. Wir sind überzeugt davon, dass das Thema mit der Umfrage nicht ad acta gelegt wird, sondern jetzt erst damit angefangen wird.

Zum Schluss und zur Freude derjenigen Leser, die sich zur EKBB bekennen - im September des Jahres 2018 wurde Ruth Šurmová Direktorin von Cesta domů. Sie ist Mitglied der EKBB und ehemalige Direktorin des Diakoniezentrums Rolnička v Soběslavi. Als geistliche ist in der Organisation Cesta domů seit Oktober 2020 die EKBB-Pfarrerin Magdalena Ondrová tätig. Zuvor half uns in dieser Tätigkeit unser Pfarrer Pavel Pokorný, der nun neu gewählte Synodalsenior.

Jana Plíšková