Tschechen und Deutsche gedenken gemeinsam des Märtyrertodes von Hieronymus von Prag

Tschechen und Deutsche gedenken gemeinsam des Märtyrertodes von Hieronymus von Prag

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Ende Mai 2016 fanden in Prag und Konstanz Gedenkfeiern anlässlich des 600. Todestages von Hieronymus von Prag statt. Am 30. Mai 1416 wurde Hieronymus von Prag als Ketzer vom Konstanzer Konzil zum Tode verurteilt. So wurde Hieronymus von Prag ein knappes Jahr nach dem Märtyrertod seines Freundes und Lehrers Jan Hus an derselben Stelle vor den Toren von Konstanz hingerichtet. Während Jan Hus als Theologe und Prediger ein wichtiger Kopf der böhmischen Reformation wurde, war Hieronymus ein Gelehrter, der als Laie und Philosoph die böhmische Reformation mitgeprägt hat. Hus hat vor allem in Prag gewirkt, bevor er Prag wegen des kirchlichen Banns verlassen musste. Dagegen war Hieronymus von Prag viel auf Reisen, hat in Oxford, Paris, Heidelberg und an anderen Orten studiert und philosophiert. Er war ein Netzwerker der Reformation, die viele Impulse von John Wyclif erhalten hat, dem englischen Theologen und Philosophen in Oxford, dessen Schriften Hieronymus nach Prag gebracht hat.

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Auch wenn Hieronymus wesentlich weniger bekannt ist als Jan Hus, so haben ihn Vertreter von Kirchen, Staat und Stadt in Prag und in Konstanz doch auch als einen wichtigen Vertreter der böhmischen Reformation geehrt. Am 28. Mai fanden die Feierlichkeiten der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder vor allem auf der Prager Schützeninsel statt. Ein buntes Fest mit Gottesdienst, Podiumsdiskussion, Marionettentheater und viel Musik brachte vielen Besucherinnen und Besuchern Hieronymus näher. Am 29. Mai gedachte die Tschechoslowakische Hussitische Kirche mit Gottesdienst, Podiumsdiskussion und Musik des Märtyrers. Während die Feierlichkeiten in Prag noch andauerten, begannen am 29. Mai die Feierlichkeiten in Konstanz mit einer Gedenkveranstaltung am sog. Hussenstein, der seit dem 19. Jahrhundert an den Tod von Jan Hus und Hieronymus von Prag erinnert.

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Der Konstanzer Oberbürgermeister Uli Burchardt würdigte Hieronymus von Prag genauso wie der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik Jan Hamáček, der mit einer Delegation von Parlamentariern und Kirchenvertretern aus Prag angereist war, darunter David Tonzár, der Prager Bischof der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche und Hana Tonzarová, Ökumene-Referentin der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche. Die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder wurde von ihrem Ökumene-Referenten Gerhard Frey-Reininghaus vertreten. Weitere Persönlichkeiten würdigten den Beitrag von Hieronymus von Prag für die böhmische Reformation und die Entwicklung des selbständigen Reflektierens, das Hieronymus mutig gepflegt hat und damit auch immer wieder Anstoß erregt hat: Dr. Rolf Böhme, Alt-Oberbürgermeister von Freiburg, Prof. Jan Kalivoda, der Vorsitzende der Hus-Museums-Gesellschaft in Prag und Bischof David Tonzár.

Diesem Gedenken folgte eine Abendveranstaltung im Speichersaal des Konzilsgebäudes mit dem Theologen und Kirchenkritiker Eugen Drewermann im Gespräch mit den beiden Konstanzern Jürgen Hoeren und Winfried Humpert. Im Rahmen dieser Veranstaltung, die sich der Persönlichkeit von Hieronymus und seiner Botschaft widmete, wurde auch ein neues Buch der drei Referenten vorgestellt: Hieronymus von Prag – Der Philosoph im Schatten von Jan Hus. Dieser gut besuchten Veranstaltung ist es gelungen, Hieronymus in einer sehr persönlichen und aktuellen Weise vorzustellen.

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Ein reiches Programm war für den 30. Mai 2016, den 600. Todestag von Hieronymus von Prag, vorbereitet. Es begann mit der Eröffnung einer Sonderausstellung zu Hieronymus von Prag im Konstanzer Hus-Museum. Diese Ausstellung war vom Hussitischen Musem in Tábor vorbereitet worden. Sie stellt Hieronymus sehr lebendig vor. Die nächste Veranstaltung fand im Rosgartenmuseum statt, in dem u.a. die Richental-Chronik ihre Heimat hat, die in Wort und Bild vom Konzilsgeschehen berichtet. Nach den Grußworten von Oberbürgermeister Uli Buchhardt und Jan Hamáček, dem Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses des Parlaments der Tschechischen Republik und Lisa Foege vom Rosgartenmuseum, trugen sich alle Gäste ins Goldene Buch der Stadt Konstanz ein.

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Ein weiterer Programmpunkt war die Enthüllung einer Tafel zu Hieronymus von Prag an der Ecke Hieronymus-Gasse und Hussenstraße. Seit dem 19. Jahrhundert hatte es hier eine Hieronymus-Gasse gegeben, die in der Nazi-Zeit umbenannt worden war in Pfauengasse. Am Anfang des neuen Jahrtausends hatte der Konstanzer Bürger Dr. Winfried Humpert die Initiative ergriffen, eine Rückkehr zum alten Namen zu bewirken. Der Konstanzer Stadtrat hat dieser Umbenennung zugestimmt. So hat Konstanz seit 2003 wieder eine Hieronymus-Gasse. Doch wohl nur die wenigsten wussten, was es mit diesem Hieronymus auf sich hat. Deshalb wurde jetzt eine erklärende Tafel am Straßenschild angebracht. Es war ein bewegender Augenblick, als nach den Grußworten von OB Uli Burchardt, von Jan Hamáček und Prof. Jan Lášek von der Hussitisch-Theologischen Fakultät der Karlsuniversität Winfried Humpert die Enthüllung der Tafel vornahm.

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Ein letzter Höhepunkt war ein ökumenischer Gedenkgottesdienst in der Konstanzer Lutherkirche. Deutsche und Tschechen feierten in ökumenischer Gemeinschaft Gottesdienst im Gedenken an Hieronymus von Prag. Im Gottesdienst, der von Dekanin Hiltrud Schneider-Cimbal geleitet wurde, musizierten Bach-Chor und Bach-Collegium Konstanz unter der Leitung von Bezirkskantor Claus Gunter Biegert. Die Predigt hielt Prälatin Dagmar Zobel. Vertreter verschiedener Kirchen aus Konstanz und Prag gestalteten den Gottesdienst mit. Die tschechischen Kirchenvertreter von der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche und der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder übergaben dem Vorsitzenden der ACK (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen) Konstanz ein Schreiben von Christen in Tschechien. Sie bedanken sich dafür, dass im Jahr zuvor die ACK Konstanz ein Schreiben an die Christen in Tschechien gerichtet hatte, in der sie es sehr bedauert, dass in ihrer Stadt Jan Hus und Hieronymus von Prag hingerichtet wurden und dadurch großes Unrecht geschehen ist. Das Schreiben aus Prag an die Christen in Konstanz würdigt dieses Schreiben als Zeichen der Buße und Versöhnung und bedauert wiederum tschechische Reaktionen, die auch verletzt haben. Der Vorsitzende der ACK, Dekan Hermann-Eugen Heckel von der Alt-katholischen Kirche versprach, dass er beim Bodensee-Kirchentag diesen Brief aus Prag mit vielen Unterschriften in Konstanz und Umgebung bekannt machen wird.

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Danach klangen die Gedenkfeierlichkeiten bei einem Glas Sekt im Schnetztortum und einem festlichen Abendessen aus, bei dem Worte des Dankes und der Anerkennung von deutscher und tschechischer Seite erklangen – zusammen mit dem guten Vorsatz, die gegenseitigen Beziehungen auch weiterhin zu pflegen und zu vertiefen. Wesentlich zum Gelingen der ganzen Feierlichkeiten haben die Mitarbeiterinnen des Eigenbetriebs der Stadt Konstanz „Konzilstadt Konstanz“ Ruth Bader und Daniela Paas und ihre Kolleginnen beigetragen, die mit Sorgfalt und Umsicht die Veranstaltungen organisiert und begleitet haben. Ihnen gebührt ein großes Dankeschön wie auch der Öffentlichkeitsbeauftragten des Dekanats Konstanz, Minne Bley, die an den verschiedensten Stellen zum Gelingen der Feierlichkeiten beigetragen hat.

Gerhard Frey-Reininghaus, Ökumene-Referent der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder

Fotos: Minne Bley, Gerhard Frey-Reininghaus