Predigt Präses Manfred Rekowski Gottesdienst am 12. Oktober 2014 in Prag

Predigt Präses Manfred Rekowski  Gottesdienst am 12. Oktober 2014 in Prag

1.Korinther 11, 23-26

1. Wir sind eingeladen - der Tisch wird uns gedeckt

In der Kirchengeschichte gab es viel Auseinandersetzungen, Konflikte und Streit um das Abendmahl. Daran erinnern wir uns auch am heutigen Tag, wenn wir die Wiedereinführung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt vor 600 Jahren feiern.

Fast könnte man meinen, das Abendmahl sei nicht Gemeinschaftsmahl, sondern vor allen Dingen Grund und Anlass für Streit und Trennung. Darum möchte ich, liebe Schwestern und Brüder, erst einmal daran erinnern, dass manches im Zusammenhang mit dem Abendmahl ganz einfach und ganz klar ist.

Zum Beispiel dies: wir sind eingeladen.

Der Tisch wird uns gedeckt mit Brot und Wein.

Lesung des Predigttextes aus 1. Korinther 11, 23 ff (Einsetzungsworte):

Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, 24dankte und brach's und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. 25Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. 26Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bbis er kommt.

2. Wir sind Gäste und nicht Gastgeber

 

Der lebendige und gegenwärtige Christus ist der Gastgeber. Über die Spielregeln, die Tischsitten, die „Zugangsbedingungen“ entscheidet er, der Gastgeber, allein.

Daran lassen wir uns immer wieder erinnern: Unsere Rolle ist die des Gastes, der eingeladen wird. Bleiben wir in dieser Rolle? Oder fallen wir aus der Rolle?

Theologiegeschichtlich gab es viele Argumente, mit denen in den verschiedenen Konfessionen - hier kann niemand seine Hände ganz und gar in Unschuld waschen - der Wille des Gastgebers interpretiert wurde. Und manchmal wurde auf diesem Wege sein Wille verstümmelt oder ins Gegenteil verkehrt. Oft wurde dabei aber auch deutlich, dass das Ringen um die Wahrheit immer wieder auch zu Streit und Konflikten führt.

 

 

3. Wer sich einladen lässt, befindet sich immer in bunter Gesellschaft

 

Der Gastgeber allein entscheidet über die Spielregeln, die Tischsitten, die „Zugangsbedingungen“. Er zeigt so unmissverständlich: Gott will mit den Menschen zusammen sein. Das hat Jesus in seinem Tun immer wieder sehr deutlich gezeigt. Ich denke zum Beispiel an Zachäus, den Zöllner. Viele haben gedacht: „Mit dem würde ich mich niemals an einen Tisch setzen…“ Was tut Jesus? Er holt Zachäus (aus der Isolation) in die Gemeinschaft hinein und zeigt es allen: Der gehört dazu! Das können wir lernen: Jesus schafft Gemeinschaft und dabei gibt es keine Voraussetzungen, keine „Einlassbedingungen“. Es heißt nicht: Erst musst Du…, sondern: „Heute will ich bei Dir einkehren!“ Jesus lässt Zachäus erleben: Deine Taten trennen Dich nicht von mir und nicht von Gott.

Oder ich denke an das letzte Abendmahl. Judas war auch dabei. Der Mann, der Jesus verraten hat. „Mit dem an einen Tisch setzen…?“ Doch Jesus hebt die Gemeinschaft nicht auf. Er lässt Judas erleben: Deine Taten trennen Dich nicht von mir/nicht von Gott. Judas bleibt dabei.

 

Abendmahl feiern die Gäste. Gastgeber ist Jesus. Ob Zachäus oder Judas – eingeladen sind alle. Zurückgewiesen wird keiner. Liebe Schwestern und Brüder, das Abendmahl bleibt nicht ohne Folgen: Eine Gemeinschaft von Menschen, die schuldig werden, die schuldig geworden sind und ein Gastgeber, der niemanden ausschließt.

 

 

4. Am Ende von Trennung- und Schuldgeschichten steht ein Doppelpunkt

Ich weiß, wir können nicht nach 600 Jahre theologiegeschichtlicher Auseinandersetzungen über Eucharistie und Abendmahl – dazu gehört auch die Auseinandersetzung um die Feier des Abendmahls in beiderlei Gestalt – wie am PC die Reset-Taste drücken und einen einfachen Weg suchen, wie wir in diesen Fragen weiterkommen. Aber der Blick auf die Worte und das Tun Jesu, auf sein Leben und Sterben, nötigen uns zur Korrektur, zur Umkehr.

Denn an den lebendigen Christus glauben und nicht in seinem Sinne leben und anders handeln als Jesus Christus, geht nicht. Dieser Jesus aus Nazareth - wir werden bei den Einsetzungsworten jeweils daran erinnert - feierte das Abendmahl auch mit dem, der ihn verraten hat. Und er suchte und pflegte Gemeinschaft mit Menschen, denen man besser aus dem Wege geht: Menschen, die keinen lupenreines polizeiliches Führungszeugnis vorlegen konnten und deren Ansehen nicht unbedingt imagefördernd war, für den, der ihre Nähe suchte. So wurde Jesus folgerichtig als „Fresser und Weinsäufer“, als „Freund der Zöllner und Sünder“ bezeichnet[1]. Er suchte die Gemeinschaft mit allen und sortierte nicht aus.

Dieser Blick zurück auf die biblischen Quellen, aus denen wir schöpfen, wird uns mutig machen. Wir können nicht dauerhaft etwas leben, was nicht zu dem passt, an den wir glauben, dem wir vertrauen.

Wir sagen: „Du deckst mir den Tisch“. Wir erinnern uns so daran, wer der Gastgeber ist. Und wollen dann selber festlegen, wer eingeladen ist, wer willkommen ist?

Ich weiß, es gibt in diesen Fragen keine einfachen Lösungen schon gar keine Abkürzungen. Hier ist nicht Verbalradikalismus und auch nicht Provokation gefragt. Aber der Gehorsam seinem Wort gegenüber, wird uns über kurz oder lang zusammenbringen. Er deckt den Tisch. Und eingeladen werden wir von ihm – zur Umkehr und an seinen Tisch.

Ich träume deshalb davon, dass wir uns in ökumenischer Gemeinschaft gemeinsam stärken lassen vom gegenwärtigen Christus, dem Gastgeber. Dass wir uns stärken lassen für Zeugnis und Dienst in der Welt. Und unsere Welt braucht das ökumenische Zeugnis und den ökumenischen Dienst der Kirchen. Wir dürfen das Tischtuch, auf dem Brot und Wein stehen, nie zerschneiden. Sondern der Gemeinschaft gemäß, die Christus stiftet, wollen wir leben. Und gemeinsam glauben wir auch das: „Du deckst uns den Tisch“.

Amen

[1] Matthäus 11,19: „Der Menschensohn ist gekommen, isst und trinkt; so sagen sie: Siehe, was ist dieser Mensch für ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder!“