Die Christlichen Begegnungstage förderten den Gedanken der Einheit in der Vielfalt

16. Dezember 2024

Über 4500 Christen aus Mittel- und Osteuropa kamen Anfang Juni an die deutsch-polnische Grenze. Die Städte Frankfurt an der Oder und Słubice, die sich an den Ufern der Oder gegenüberliegen, waren vom 7. bis zum 9. Juni 2024 Gastgeber der internationalen Christlichen Begegnungstage.

Die Christlichen Begegnungstage förderten den Gedanken der Einheit in der Vielfalt
16. Dezember 2024 - Die Christlichen Begegnungstage förderten den Gedanken der Einheit in der Vielfalt

Drei Tage voller Kultur, Bildung, Spiritualität und mit einem interessanten Rahmenprogramm. So lassen sich die diesjährigen Christlichen Begegnungstage kurz zusammenfassen, die beweisen sollen, dass der Glaube Grenzen und nationale Barrieren überwindet. Diese Symbolik war in diesem Jahr umso ausgeprägter, als Frankfurt an der Oder und Słubice Gastgeber der Veranstaltung waren – eine polnisch-deutsche Doppelstadt, die sich auf den einander gegenüberliegenden Ufern der Oder erstreckt.

Trennt uns nichts?

Die Wahl des Veranstaltungsortes schwang auch im Thema der diesjährigen Begegnungstage mit: „Nichts kann uns trennen“. Der zugrundeliegende Bibelvers „Nichts kann uns scheiden von der Liebe Christi“ (Röm 8,38-39) hatte vor dieser geographischen Kulisse eine zusätzliche greifbare Dimension: Den Grenzfluss, die Barriere zwischen den beiden Städten, überspannt nämlich eine Brücke, die wie eine Klammer beide Städte, Staaten und Nationen miteinander verbindet.
Das diesjährige Treffen war auch insofern spezifisch, als die Christlichen Begegnungstage an ihre „Wiege“ zurückkehrten. Im nahegelegenen Görlitz fand nämlich 1991 das allererste derartige Treffen statt. Damals wurde es noch von der heute nicht mehr existierenden Evangelischen Kirche der Schlesischen Oberlausitz (EKSOL) organisiert, die ihre Partnerkirchen aus Polen und der damaligen Tschechoslowakei nach Görlitz einlud. Und gerade die heute in dieser Region tätige Landeskirche, die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), war (diesmal zusammen mit der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Polen) auch in diesem Jahr die Ausrichterkirche.

Die Christlichen Begegnungstage finden regelmäßig statt, und zwar ungefähr alle drei Jahre. Das letzte Mal trafen sich die Christen Mitteleuropas in diesem Rahmen allerdings vor acht Jahren, 2016, in Budapest in Ungarn. Das Treffen, das 2020 im österreichischen Graz stattfinden sollte, wurde aufgrund der Corona-Pandemie nicht durchgeführt.

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Vielleicht auch deshalb hob der Bischof der Evangelischen Kirche A. B. in Polen, Jerzy Samiec, die gesellschaftliche Dimension dieses ökumenischen Ereignisses hervor: „Die Christlichen Begegnungstage zum Thema ‚Nichts kann uns trennen‘ sind aus mehreren Gründen von besonderer Bedeutung. In erster Linie ist das Treffen selbst wichtig. In einer Welt, in der die Polarisierung der Meinungen immer weiter zunimmt, brauchen wir ein verbindendes Element.“ Ähnlich äußerte sich ein Vertreter der EKBO, Bischof Christian Stäblein: „Wir treffen uns in einer Zeit der Krise. Der Krieg tobt an vielen Orten, auch in Europa. Konflikte dominieren die Nachrichten, Spannungen eskalieren, Konfliktlösungen sind nicht in Sicht. Hier in Frankfurt und in Słubice sollte das anders sein. Wir suchen den Dialog, versuchen, Lösungen für Fragen zu finden, auf die es keine einfachen Antworten gibt. […] Nichts sollte uns voneinander trennen.“

Der Gedanke der Einheit in der Vielfalt sollte auch durch eine Aktion unterstützt werden, die die Organisatoren des diesjährigen Treffens für alle Teilnehmer vorbereitet hatten. Jeder registrierte Besucher erhielt nämlich zusammen mit seinem Ticket ein Armband in einer bestimmten Farbe, je nachdem, aus welchem Land er zu den Christlichen Begegnungstagen gekommen war. Zum Beispiel trugen Besucher aus Tschechien gelbe Armbänder, Deutsche wiederum hellviolette. Teilnehmer aus verschiedenen Ländern konnten ihre Armbänder austauschen, um die geographische Entfernung und die Sprachbarriere symbolisch zu beseitigen. Oder wie Bischof Stäblein es ausdrückte: Wir sprechen zwar verschiedene Sprachen, aber wir sind alle ein Volk Gottes.

Spiritualität, Kultur und ein kilometerlanger Tisch: Das Programm war vielfältig

Am Freitag und am Sonntag dominierten gemeinsame Gottesdienste unter freiem Himmel auf dem Frankfurter Marktplatz das reichhaltige und abwechslungsreiche Programm. Ein Höhepunkt war zudem das gemeinsame Abendessen am Samstag mit dem Titel „Die Speisung der 4000“. Direkt in den Straßen der Stadt durften die Besucher an einem kilometerlangen Esstisch Platz nehmen. Auch hier konnten sie neben dem gemeinsamen Essen ihre Erfahrungen und ihren Glauben mit Christen anderer Kirchen oder Nationalitäten teilen.

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Darüber hinaus wurde den Teilnehmern ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm geboten – sie konnten Gutenbergs Buchdruck ausprobieren, eine Vorführung ungarischer Folklore-Tänze sehen oder eines der Konzerte besuchen.

An den Christlichen Begegnungstagen nahmen auch bedeutende Persönlichkeiten des kirchlichen Lebens in Mitteleuropa teil. Viele von ihnen sind auch im kirchlichen Umfeld der EKBB bekannt, wie Mario Fischer, Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE), Enno Haaks, Generalsekretär des Gustav-Adolf-Werkes (GAW) oder die erst 28-jährige Vorsitzende der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich.

Der Club der Sprachen und Nationalitäten: Unter den Christen der „Visegrád-Gruppe“ waren auch die Tschechen zu sehen

Tschechische Spuren im Programm waren zum Beispiel der stark besuchte und sehr untraditionelle Techno-Gottesdienst unter der Leitung des evangelischen Pfarrers von Třebenice, Jiří Šamšula, und des sächsischen Landesbischofs Tobias Bilz, das Konzert des Sängerchors ECHO Zlín unter der Leitung unseres Landeskirchenmusikdirektors Ladislav Moravetz oder eine Podiumsdiskussion, zu deren Gästen u. a. der Synodalsenior der EKBB, Pavel Pokorný, oder der Bischof der Hussitischen Kirche, Lukáš Bujna, zählten. Im Angebot war auch die Vorführung des kürzlich angelaufenen Films Der Glaube in den Farben des Regenbogens, dessen Autor der junge tschechische Filmemacher Tobiáš Frýdl, ein Mitglied der Tschechoslowakischen Hussitischen Kirche, ist. Unter den Mitwirkenden waren zudem der Bischof der Schlesischen Evangelischen Kirche A. B. und der amtierende Präsident des Ökumenischen Rates der Kirchen, Tomáš Tyrlík, der an einer der Podiumsdiskussionen teilnahm und gemeinsam mit anderen den Abschlussgottesdienst zelebrierte.

Die Christlichen Begegnungstage sind natürlich den Vertretern der Selbstverwaltungen, aber auch den Medien bekannt. Für unsere tschechischen Verhältnisse ist eine solche gesellschaftlicher Wirkung beispiellos. 
Überspitzt könnte man den Charakter dieses Ereignisses als ein Treffen der „Visegrád-Gruppe“ beschreiben. Diejenigen, für die Deutsch eine Barriere ist, erfreuen sich hier an einem größeren Angebot an Programmpunkten auf anderen Sprachen. Günstig für die Tschechinnen und Tschechen ist zudem, dass sie viele andere dank der engen Verwandtschaft slawischer Sprachen recht gut verstehen können. Eine Ausnahme ist freilich Ungarisch, das als finno-ugrische Sprache den Slawen wie den Deutschen die gleichen Probleme bereitet.

Nächster Halt: Tschechien

Noch deutlicher als das diesjährige Treffen wird das nächste tschechisch geprägt sein. Die Christlichen Begegnungstage werden 2027 nämlich in Tschechien stattfinden. Die Vorbereitung der „tschechischen Ausgabe“ steht erst am Anfang, es steht noch nicht einmal fest, in welcher Stadt die Begegnungstage stattfinden sollen. Doch mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Wahl auf Prag fallen. Schon jetzt ist aber klar, dass die ausrichtende Kirche die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder sein wird. Bereits in Frankfurt übernahm deshalb der Synodalsenior Pavel Pokorný aus den Händen von Bischof Stäblein symbolisch den Staffelstab für den Organisator.

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Wir danken allen Förderern, die zur Teilnahme Tschechiens an den Christlichen Begegnungstagen 2024 in Frankfurt an der Oder und Słubice beigetragen haben:
• dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds
• dem Stiftungsfonds von Věra Třebická-Řivnáčová
• dem Programm „Kirchen helfen Kirchen“
• dem Chorverband in der Evangelischen Kirche in Deutschland