Wenn Ernte nicht das Wichtigste ist

20. Juni 2024

Mgr. Eliška Hudcová, Ph.D. studierte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät und der Fakultät für Geisteswissenschaften an der Karls-Universität, wo sie auch ein Doktorstudium im Fach Studien über den zivilen Sektor absolvierte. In ihrer Dissertation beschäftigte sie sich mit der Entwicklung der sozialen Landwirtschaft in der Tschechischen Republik im Zusammenhang mit Sozialwirtschaft, sozialen Unternehmen und sozialer Integration in ländlichen Gebieten. 

Wenn Ernte nicht das Wichtigste ist
20. Juni 2024 - Wenn Ernte nicht das Wichtigste ist

Sie ist Mitglied des Arbeitsausschusses für soziale Landwirtschaft am  Ministerium für Landwirtschaft und Gründungsmitglied des Vereins für soziale Landwirtschaft. Sie arbeitet als Schuldnerberaterin bei der humanitären Organisation „Člověk v tísni“ (Mensch in Not) und unterrichtet an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Karls-Universität. Mit ihrem Mann erzieht sie fünf Kinder.

Soziale Landwirtschaft, was ist das? Diese Frage hört Eliška Hudcová von der Evangelisch-Theologischen Fakultät immer noch ziemlich oft. Das Konzept, das Landwirtschaft und Sozialarbeit verbindet, ist in der Tschechischen Republik noch nicht so richtig bekannt. Soziale Landwirtschaft geht dabei auch Hand in Hand mit Nachhaltigkeit. Wem menschliche Fürsorge nahe ist, der interessiert sich meistens auch für den Zustand der Landschaft, der Natur und die Gesundheit des Bodens, welchen er bewirtschaftet und für zukünftige Generationen erhalten will.

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Eliška Hudcová lernte das Konzept der sozialen Landwirtschaft erstmals durch ihren Bruder kennen. Er selbst hält auf einem kleinen Bauernhof in Westböhmen Schafe und hat einen Obstgarten. Als er vor 14 Jahren an einem internationalen Leonardo da Vinci-Projekt über multifunktionale Landwirtschaft teilnahm, wurde er bei seinen italienischen Kollegen auf das Konzept der sozialen Landwirtschaft aufmerksam. Bis dahin war dieses Konzept hierzulande nicht bekannt, obwohl einige lokale Betriebe bereits nach diesem Konzept arbeiteten. 

Natürlich verbrachte und verbringt Eliška viel Zeit auf dem Bauernhof, und das Thema begeisterte sie so sehr, dass sie sich damit auch im Rahmen ihres Studiums der Pastoral- und Sozialarbeit an der ETF UK beschäftigte. Später vertiefte sie dieses Thema in ihrer Dissertation an der Fakultät für Geisteswissenschaften der Karls-Universität, wo sie sich auf den Bereich der Studien des zivilen Sektors konzentrierte. Heute unterrichtet sie als Mitglied des Fachbereichs Sozialarbeit und des Fachbereichs Praktische Theologie an der ETF UK über dieses Thema und popularisiert es. 

Ziel der sozialen Landwirtschaft ist es, Menschen mit gesundheitlichen und sozialen Benachteiligungen durch die Beschäftigung auf Bauernhöfen, die Vermittlung sozialer Dienstleistungen oder den therapeutischen Aufenthalt auf Bauernhöfen in die Gesellschaft zu integrieren. „Die soziale Landwirtschaft schafft einen Raum für Menschen mit allen Arten von Benachteiligungen, die in irgendeiner Weise Unterstützung benötigen, um sich in die Gesellschaft zu integrieren und ihr Leben zu verbessern. Der Sozialbauernhof oder die ländliche Landwirtschaft wird zu einem Instrument der Integration, zu einem Umfeld, aus dem eine Person die Vorteile ziehen kann, die es bietet“, erklärte sie.

Das Leben auf das Land zurückbringen

Bauernhöfe, die sich in der Sozialarbeit engagieren, helfen oft auch bei der Ausbildung von Kindern und tragen allgemein dazu bei, die Beziehung der Menschen zur Natur, zur Landschaft und zum „Landleben“ zu stärken, wo sie das Leben wiederbeleben und zum Aufbau guter lokaler Gemeinschaften beitragen. 

„Ich bin nicht nur Theoretikerin, ich arbeite auch in der direkten Schuldnerberatung. Ich weiß, wie es ist, mit Menschen aus verschiedensten schweren Lebenssituationen zu sprechen. Bei vielen sehe ich, wie gut es ihnen täte, raus zu gehen, in eine ganz andere Umgebung. Geschützte Arbeitsplätze befinden sich häufig im Sicherheitssektor, z. B. bei der Bewachung von Supermärkten, oder sie werden zur Montage von sinnlosen Teilen geschickt, was eine routinemäßige und monotone Arbeit in einer geschlossenen, stressigen Umgebung ist. Viel besser wäre es, wenn Bauernhöfe mehr Arbeitsplätze für bedürftige Menschen anbieten würden.“ denkt Eliška Hudcová, die in der Organisation Člověk v tísni arbeitet.

Auch wenn sich in Tschechien heutzutage dutzende Bauernhöfe neben Landwirtschaft auch mit Sozialarbeit beschäftigen, ist dieses Konzept weitgehend unbekannt, weswegen sie es auch durch Vorträge auf Mittelschulen popularisieren möchte. Zurzeit steht Eliška auch in Kontakt mit Kollegen von der Tschechischen Universität für Landwirtschaft (ČZU) und sie überlegen, wie sie die an der ETF UK gelehrte Sozialarbeit mit den Tierrehabilitationskursen an der ČZU verbinden könnten.

Die soziale Landwirtschaft ist eng mit dem Konzept verbunden, für das der Begriff „Green Care“ verwendet wird. „Es wird oft gesagt, dass die Natur für das menschliche Wohlbefinden wichtig ist, aber das ist ein einseitiger Prozess. Man sollte nicht nur an sich selbst denken und daran, dass man etwas gewinnt, sondern man sollte der nächsten Generation etwas zurückgeben. Das Konzept „Green Care“ bezieht sich auf die Begegnung des Menschen mit der Natur; es sollte ein heilender und therapeutischer Prozess sein, der geplant, reflektiert und bewertet wird. Sie kann verschiedene Formen annehmen, wie z.B. therapeutisches Gärtnern oder Gartentherapie, es kann um Bewegung in der Natur gehen oder eben um soziale Landwirtschaft. In jüngster Zeit ist von Waldbädern die Rede, die sich zu einer beliebten Therapieform entwickeln, die aus Japan zu uns gekommen ist. Das Wichtigste ist dabei immer die „Gegenseitigkeit", betont Eliška Hudcová. 

Und genau deswegen ist für Bauern, die sich dem Konzept des sozialen Unternehmens annähern, der Umweltschutz so wichtig, also das nachhaltige Bewirtschaften der Ländereien im Bezug auf das Bewahren von Boden und Natur für unsere Kinder.

„Auch wenn nicht alle sozialen Bauernhöfe in Tschechien ökologische Landwirtschaft betreiben, passen sie auf, dass die Biodiversität und das Wasser im Boden nicht schwinden. Sie denken darüber nach, wie sie mit dem Boden umgehen oder was und wo angebaut wird. Am Anfang aller Dinge steht ein Wertesystem: Den Boden, den wir bewirtschaften, haben wir bekommen. Es ist ein Geschenk und wir sollten verantwortlich damit umgehen und ihn in gutem Zustand den zukünftigen Generationen weitergeben.“

Text: Helena Zdráhalová 
Foto: Hynek Glos

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