Ein hölzernes Juwel in der Mährischen Walachei. Die Toleranzkirche in Velká Lhota

27. März 2024

Sie überstand Kriege, sie überstand die Versuche der kommunistischen Behörden, sie umzusiedeln, und sie überstand das Feuer einer benachbarten Scheune.

Ein hölzernes Juwel in der Mährischen Walachei. Die Toleranzkirche in Velká Lhota gibt es schon seit
27. März 2024 - Ein hölzernes Juwel in der Mährischen Walachei. Die Toleranzkirche in Velká Lhota

Die hölzerne Toleranzkirche von Velká Lhota (dt. Groß Lhota) gehört zu den ältesten evangelischen Kirchen in Tschechien, sie steht schon seit unglaublichen 240 Jahren an ihrem Ort. Die einheimischen Protestanten gedachten dieses Jubiläums und drückten ihre Dankbarkeit dafür aus, dass ihr Gebetshaus bis heute erhalten blieb.  

Landsleute, Freunde aus Polen und der Synodalsenior kamen in die Mährische Walachei 
Die Einwohner von Lhota luden nicht nur Mitglieder der umliegenden Gemeinden, sondern auch Landsleute aus Kroatien zur Feier ein. Eine mehr als tausend Kilometer lange Reise musste die Delegation der Landsleute aus Bjeliševac unter der Leitung von Goran Hruška zurücklegen. Dieser ist der Sekretär des Tschechischen Vereins, der die Nachkommen tschechischer Emigranten in Kroatien seit über 90 Jahren zusammenhält. 

Die kroatische Delegation war jedoch nicht die einzige aus dem Ausland, die Einwohner von Lhota luden auch Freunde aus dem polnischen Jawor (dt. Jauer) zum Gemeindefest ein. Das Bindeglied war hier die Holzkirche selbst; in Jawor und anderswo in Polen gibt es auch evangelische Gemeinden mit Holzkirchen.   

Am Anfang des Festprogramms stand ein Auftritt der kroatischen Landsleute. Die noch immer lebendige und tiefe Verbundenheit zur Heimat ihrer Vorfahren und zur tschechischen Kultur bewiesen die weitgereisten Gäste auch durch das Singen böhmischer und mährischer Volkslieder.  

DSC_3016 (2)

DSC_2985 (1)

Der Sonntag begann mit der Feier eines Abendmahlsgottesdienstes, der vom Synodalsenior Pavel Pokorný gehalten wurde. Danach folgte ein Vortrag der Architektin und Mitarbeiterin des Nationalen Denkmalamtes in Kroměříž (dt. Kremsier), die auf einige interessante Details des Kirchenbaus aufmerksam machte. 

Eine Kirche im Abseits 
In fast einem Vierteljahrtausend hat sich die Geschichte der hiesigen Kirche gehörig verästelt. Aber schon vor deren Bau galt die Mährische Walachei als eine Region mit einer reichen protestantischen Tradition. Doch erst nach der Erteilung des Toleranzpatents durften sich die Menschen offen zu ihrem Glauben bekennen. Zunächst waren die Mährischen Walachen den Behörden gegenüber jedoch misstrauisch, weil sie eine schlechte Erfahrung mit dem sogenannten falschen Toleranzpatent aus dem Jahre 1777 gemacht hatten: Dieses war nur eine List der Behörden gewesen, um die Identität versteckter Protestanten aufzudecken.  

Dennoch gingen die walachischen Protestanten die Verwirklichung ihrer Kirche relativ rasch an. „Im Winter 1781 erfuhren die Einheimischen von der Verkündung des Toleranzpatents, und Mitte 1782 begann man mit dem Bau der hiesigen Kirche“, beschreibt der Pfarrer von Velká Lhota, Pavel Freitinger. In dieser Zeit wurde auch die evangelische Gemeinde gegründet. Die Bauarbeiten begannen am 29. Juni 1782, und nur ein Jahr später, genau am 29. Juni 1783, war das Gebäude fertig.  

Auch heute noch, nach mehr als zweihundert Jahren, fesselt der Ort, auf dem dieses Gebäude aus Holz steht, seinen Besucher. Die Kirche sowie der angrenzende Friedhof liegen nämlich an einem steilen Hang; den Protestanten war es nicht gelungen, ein geeigneteres Grundstück im überwiegend katholischen Ortskern zu finden. 

Für den Bau einer nichtkatholischen Kirche mussten natürlich strenge Vorschriften eingehalten werden. „Wir haben weder einen Turm noch eine Glocke. Zwar gibt es hier wegen des hügeligen Geländes keinen Dorfplatz, aber dennoch musste die Kirche abseits stehen. Bis in die 1960er Jahre führte keine Straße zur Kirche“, ergänzt Freitinger.  

Auch die Gestaltung im Inneren entspricht dem sogenannten Toleranzpatent. Die Bänke sind um den Tisch des Herrn angeordnet. Der Innenraum ist schlicht, ohne Verzierungen, mit Ausnahme von zwei Metallschildern mit Bibelzitaten (Ps 78,1 und Gal 1,1112) und einer ornamentalen Inschrift an der Decke: „Mein Haus ist ein Haus des Gebets. Mt 21,13; 1783“. 

DSC_3005 (1) 

In der Kirche gab es keine Orgel. Ursprünglich wurde ohne Begleitung gesungen, nur mit einem Vorsänger. Erst 1938 wurde ein Harmonium angeschafft. Inzwischen gehört zum Interieur der Kirche auch eine Orgel, die 1996 erworben wurde.  

Beim Anblick des bescheidenen Gebäudes wird möglicherweise seine Geräumigkeit überraschen. Nach Angaben von Pfarrer Freitinger finden 500 Personen bequem darin Platz, ausnahmsweise sogar rund 1.000. Und das auch dank der Emporen, die auf drei Seiten der Kirche verteilt sind. Diese wurden nach 1784 im Innenraum ergänzt. 

Unter dem Schutz des Höchsten 
Im Laufe der Zeit war die Kirche natürlich auch verschiedenen Gefahren ausgesetzt. Die größte ist für ein Bauwerk aus Holz zweifellos das Feuer. Viele Male schlugen Blitze in der Nähe des Gebäudes ein. Doch schon früher fehlte wenig, und das letzte Stündlein der Kirche hätte geschlagen. Als 1860 den Protestanten ein Patent erteilt wurde, das die strengen Toleranzvorschriften aufhob, wurde erwogen, das von den Einheimischen wegen seiner Ähnlichkeit mit einer Scheune als unwürdig erachtete Holzbauwerk abzureißen und durch einen gemauerten Bau zu ersetzen. Zum Glück ist das nicht passiert.

Der letzten ernsthaften Bedrohung stand die Kirche unter dem früheren Regime in der Zeit der Normalisierung gegenüber. Die kommunistischen Funktionäre wollten damals die ganze Kirche in das Freilichtmuseum in Rožnov pod Radhoštěm (dt. Rosenau unter dem Radhoscht) verlegen. Gerettet  wurde sie von den Bauingenieuren, die einen technischen Plan für den Umzug ausarbeiten sollten. Ihr Kostenvoranschlag war so hoch, dass die Umsetzung nicht zu realisieren war.  

Auch deshalb ist die Holzkirche von Velká Lhota bis heute ein Haus des Gebets, wie die Inschrift an der Decke zeigt. Es ist nicht nur ein einzigartiges Bauwerk, aus dem das Vermächtnis der Vorfahren atmet, sondern vor allem ein Ort der Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern, die den Glauben an Jesus Christus leben und teilen.  

Adéla Rozbořilová 

Newsletter

Interessieren Sie sich für Neuigkeiten aus unserer Kirche?