Warum Eltern ihre Kinder gerne in die Diakonie-Schulen schicken?
An der diakonischen Schule V Zápolí in Prag lernen schon seit mehr als 28 Jahren 48 Schülerinnen und Schüler mit geistiger Behinderung. Derzeit wird die Schule grundlegend renoviert. Die Kapazitäten sollen um fast die Hälfte erhöht werden auf 80 Schüler. So reagiert die Schule auf die wachsende Nachfrage nach Ausbildung der Kinder gerade in der Diakonie. Warum die Schule sich eines solchen Interesses erfreut, erklärt im Interview Dana Šalamounová, Mutter der vierzehnjährigen Eva, die schon seit mehreren Jahren die Schule besucht.
Wie würde Ihr Tag aussehen, wenn es die Schule V Zápolí nicht geben würde?
Ich würde aufstehen und mich um meine Tochter kümmern. Auf eine normale Schule könnte ich sie nicht schicken. Ich bezweifle, dass sie es dort schaffen würde, nicht einmal mit der Hilfe einer Assistenz. Vormittags würden wir lernen, denn eine Grundausbildung ist für alle verpflichtend. Nach dem Mittagessen würden wir die freie Zeit irgendwie sinnvoll verbringen. Es käme absolut nicht in Frage, dass ich zur Arbeit ginge. Heute könnte ich vielleicht in Teilzeit von zu Hause aus arbeiten, aber bis zum Alter von ungefähr sechs, sieben Jahren wäre keinerlei Erwerbstätigkeit möglich gewesen.
Wie würden Sie das Handicap Ihrer Tochter beschreiben?
Eva ist hat eine mittelschwere mentale Retardierung, Autismus und eine expressive Sprachstörung. Auch jetzt noch, im Alter von vierzehn Jahren bringt sie kaum einen vollständigen Satz zusammen. Ihre Aussprache ist beeinträchtigt und sie ist schwer zu verstehen. Insgesamt handelt es sich aber um eine weniger starke Form der Behinderung. Je älter sie wird, desto besser wird es zum Glück. Heute kann ich zum Beispiel alleine einkaufen gehen und sie eine Weile alleine zu Hause lassen. Früher ging das nicht, insbesondere im Alter von vier bis sechs hatte Eva regelmäßig starke Wutanfälle. Manchmal sogar mehrmals am Tag.
Woher kamen diese Wutanfälle?
Sie enstanden in bestimmten Situationen. Zum Beispiel konnte sie keine Waschmaschinen, Mikrowellen oder Wasserkocher ertragen. Wenn diese Geräte liefen, fing sie an zu schreien und zu stampfen. Sie konnte auch Verkehrsmittel nicht leiden - bis auf das Auto. Wenn ich mit ihr Bus gefahren bin, hat sie immer geschrien. Dasselbe im Zug oder in der Straßenbahn. Inzwischen hat sie sich daran gewöhnt, sie fürchtet sich nicht mehr. Ich weiß aber nie genau was kommt, insbesondere wenn sie eine neue Erfahrung macht. Stellen Sie sich vor, Sie machen einen Ausflug, wollen ganz normale Dinge tun, wie man das eben in einer Familie macht, aber Sie können sich nie sicher sein wie Ihr Kind reagiert.
Wie kam es, dass die Wutanfälle verschwunden sind?
Größtenteils liegt das am Wachstum, an der Entwicklung des Gehirns. Und dann spielt auch die Gewohnheit eine Rolle. Ich habe meiner Tochter gezeigt, dass sie sich vor den Dingen, die sie erschrecken, nicht zu fürchten braucht. Ich habe nicht gesagt, wenn sie davor Angst hat, mache ich die Waschmaschine eben aus. Im Gegenteil: Wäsche muss gewaschen werden, es tut ihr nicht weh und sie kann in der Zeit woanders hingehen. Außerdem habe ich versucht sie so zu erziehen, dass es gegenüber unserem älteren Sohn nicht unfair war. Wie ich mit ihm umgehen würde, so bin ich auch mit ihr umgegangen. Natürlich immer in dem Bewusstsein, dass meine Tochter ihre Grenzen hat. Die Schule V Zápolí hat sehr geholfen, dort haben sie mit Eva große Fortschritte erreicht.
Wie sind Sie mit der Schule V Zápolí in Kontakt gekommen?
Das war eher zufällig. Körperlich hatte Eva keinerlei Beschwerden, deshalb haben wir von ihrem Handicap lange nichts gewusst. Wir haben gemerkt, dass sie in einer anderen Welt lebt, nicht gesprochen hat, aber auch unsere Ärztin dachte, dass sich das herauswächst und hat mir bestätigt, dass Eva in einen ganz normalen Kindergarten gehen kann. Aber dort haben sich die Probleme dann in ihrer ganzen Fülle offenbart. Eva konnte sich dem Gemeinschaftsprogramm nicht anpassen. Als die Kinder zum Beispiel gemeinsam gesungen haben, ist sie zum Spülen auf die Toilette gegangen. Sie funktionierte nicht im Kollektiv. Daraufhin haben mir die Lehrerinnen gesagt, dass es so nicht weiter geht. Den letzten Monat meiner Elternzeit habe ich also damit verbracht einen anderen Kindergarten zu suchen. In einem sagten sie mir zu, aber nach einem halben Jahr entschied sich die Direktorin um. Und wieder habe ich herumtelefoniert. Mehrfach sagten sie mir, dass Eva zwar den Anforderungen entspreche, aber das Aufnahmeverfahren schon vorbei sei. Frau Direktorin Pekařová von der Diakonie hatte ich zufällig angerufen. Sie erklärte mir, wie die Schule funktioniert, lud uns zum Besuch ein und sagte schließlich, dass Eva eigentlich sofort kommen könnte. Zu der Zeit wusste ich noch nicht, dass an den Diakonie-Kindergarten auch direkt eine Schule anschließt, so kann meine Tochter direkt dort weitermachen, das ist fantastisch.
Inwiefern hat die Schule Eva geholfen?
Einmal bei der Ernährung. Zu Hause trank sie nur aus Fläschchen, sie wurde wütend, als ich ihr beibringen wollte, wie man einen Löffel hält. In der Schule hat sie das sehr schnell gelernt und angefangen normal aus Gläsern zu trinken. Sie hat sich beim Sprechen verbessert. Und wenn der andere sie nicht versteht, dann weiß sie sich zu helfen. Sie wollte zum Beispiel, dass ich ihr Kekse kaufe und als ich das nicht verstanden hatte, da lieh sie sich mein Handy und zeigte mir ein Bild der Kekse im Internet. Außerdem hat sie gelernt in Druckbuchstaben zu schreiben, bis hundert zu zählen und zu zeichnen. In der Schule zeigte sich auch, dass sie ein sehr gutes Gehör hat. Es reicht ihr eine Melodie zu hören und schon spielt sie sie auf dem Keyboard. Sie spielt gemeinsam mit der Lehrerin, die sie auf der Gitarre begleitet. Sie hat auch gelernt hinter sich aufzuräumen.
Das hätten Sie ihr ohne die Schule nicht beibringen können?
Natürlich habe ich sie auch zu Hause dahin geführt, aber Sie wissen ja, die Autorität des Lehrers ist oft wirksamer als die der Eltern. Und auch das Kollektiv der Altersgenossen ist nicht zu vernachlässigen, Eva lernt viel durch das Nachahmen. Wenn sie sieht, dass jemand in ihrem Alter das schafft, dann ist sie sehr viel motivierter etwas zu lernen. Deshalb finde ich es auch sehr gut, dass die Schule V Zápolí für die Kinder auch ein Internat anbietet, das nach der Renovierung sogar noch größer wird. Dabei geht es nicht nur darum, dass die Kinder nicht aus großen Entfernungen pendeln müssen. Im Internat können sich die Kinder entwickeln. Sie lernen dort Selbstständigkeit: Betten machen und beziehen, Abendessen zubereiten. Das gilt auch für die Hygiene: duschen, Zähne putzen, Haare kämmen. So macht das Kind größere Fortschritte als in der Schule allein. Natürlich müssen die Erzieherinnen gut sein, aber das sind sie bei uns hundertprozentig. In dieser Hinsicht lege ich meine Hand ins Feuer für unsere Schule.
Adam Šůra
Interessieren Sie sich für Neuigkeiten aus unserer Kirche?