Das erste Mal betrachtete David Rafael Moulis den Orient und das Altertum durch die Linse seines Fotoapparats bereits als Teenager, als er mit seinen Eltern den Familienurlaub in Tunesien verbrachte.
Was für manch einen vielleicht nur ein Ferienabenteuer gewesen wäre, stellte für ihn einen Wendepunkt im Leben dar. Mit seinem Fotoapparat, den er von nun an nicht mehr aus der Hand legte, reiste er im Team der Evangelischen Theologischen Fakultät der Karlsuniversität (ETF UK) bis nach Israel. Neben der Fotografie ist er nämlich leidenschaftlicher Archäologe. In diesem Jahr brachte er seine erste Monographie mit dem Titel „Náboženský kult starověkého Izraele pohledem archeologie“ (Religiöser Kult des altertümlichen Israels aus Perspektive der Architektur) heraus, die auch durch seine Fotografien von einzigartigen Fundorten bereichert wird.
Vor zehn Jahren löste ein sensationeller Fund unter Archäologen Begeisterung aus. Beim Bau der Autobahn zwischen Jerusalem und Tel Aviv wurden damals bei Tel Motza zufällig die Überreste einer Handelssiedlung sowie einer 3000 Jahre alten Tempelanlage entdeckt. Von seiner Architektur her ähnelte dieser stark dem sogenannten Ersten Tempel. Dem Alten Testament zufolge hatte diesen König Salomon auf dem Jerusalemer Tempelberg erbauen lassen. Als die Forscher sechs Kilometer vor Jerusalem begannen einen Tempel auszugraben, der dem sagenhaften salomonischen Tempel so ähnlich war, sorgte das verständlicherweise nicht nur für eine Sensation, sondern warf auch viele Fragen auf. Auch wenn die drängendste dieser, nämlich ob es sich um eben jenen Tempel aus der Bibel handelt, von den Wissenschaftlern recht bald verneint werden konnte, blieben jede Menge weitere Fragen offen, auf die auch David Rafael Moulis in seinem 240-seitigen Buch, das bei dem Verlag Vyšehrad erschienen ist, Antworten zu geben sucht.
Die internationalen archäologischen Arbeiten, an denen er dank des Teams der ETF UK unter der Leitung von Professor Filip Čapek teilnimmt, beschreibt er als „Mosaik“, das die Wissenschaftler versuchen zusammenzusetzen, auch wenn sie weder wissen wie groß dieses ursprünglich war, noch wie es aussah...
„Beim Lesen meines Buches könnte man meinen, dass das Kapitel darüber, wie der judäische Kult aussah, abgeschlossen sei. Aber wir wissen immer noch sehr wenig darüber. Wir arbeiten nur mit dem, was bereits gefunden worden ist. Wir wissen nicht, was nicht erhalten geblieben, zerstört oder beseitigt worden ist. Wir haben keinen konservierten Augenblick dessen, wie das Leben damals war, wie das zum Beispiel bei Pompeji der Fall ist. Bei der Auslegung arbeiten wir mit unserem Erkenntnisstand; die Wahrnehmung unserer Welt wenden wir auf die Antike an, auch dabei können Fehler entstehen. Wir können nur auf weitere Funde warten, die uns näher an die Realität der damaligen Zeit bringen. Die Einzelteile sind winzig klein, das Mosaik riesengroß“, so Moulis.
„In der heutigen Archäologie gehen wir unabhängig vom Bibeltext vor, da wir wissen, dass dieser über einen langen Zeitraum entstanden ist. Der Text ist eher belehrender Art, keine historische Beschreibung. Allerdings ist es für uns spannend in der Bibel zu schauen, was dort über die verschiedenen Orte geschrieben wird. So erhalten wir eine bessere Vorstellung zum Beispiel über die Beziehungen zwischen Judäern und Philistern. Auch die Geschichte von David und Goliath, die in dieser Gegend spielt, verleiht einen Einblick in die damalige alltägliche Realität“, fügt der Archäologe hinzu.
An Expeditionen nach Israel nimmt David Rafael Moulis schon seit über zehn Jahren teil. Aber der Weg hin zum professionellen Archäologen und offiziellen Fotografen der Ausgrabungsstätte Tel Motza war ein weiter. Den heute 38-jährigen Wissenschaftler zog es schon immer in den nahen Osten und den Orient. An der Philosophischen Fakultät der Westböhmischen Universität studierte er zunächst Nahoststudien.
Das Studienfach ist komplex strukturiert und so widmete sich David Rafael Moulis unter anderem der zeitgenössischen Geschichte, Literatur und Kunst des Nahen Ostens. Immer stärker jedoch wurde der Wunsch sich auch mit den Wurzeln unserer Zivilisation zu befassen und zu dem zurückzukehren, was ihn schon damals in Tunesien so fasziniert hatte. So reiste er noch während des Studiums durch Israel, Jordanien, Syrien, den Libanon und zog durch die großen europäischen Museen.
Er konzentrierte sich auf die Antike und suchte eine Stelle, im Rahmen derer er sich der Archäologie Israels widmen konnte. So kam er an die Evangelisch Theologische Fakultät der Karlsuniversität Prag, wo er bei Professor Filip Čapek seine Promotion fortsetzt. Dieser beteiligt sich seit vielen Jahren mit seinen Studenten an Feldforschungen auf Ausgrabungsstätten in Israel, gemeinsam mit Universitäten aus Israel und der ganzen Welt.
Während des Jahres, das er in Jerusalem verbrachte, nahm Moulis einmal pro Woche direkt an den Ausgrabungen der Stadt Davids teil. „Ein Teil der Ausgrabungsstätte ist ein Archäologiepark, der der Öffentlichkeit zugänglich ist. Es ist spannend, wenn man direkt in einer pulsierenden Stadt ausgräbt. Busse fahren vorbei, Touristen kommen in Massen. Es ist faszinierend eine Stadt freizulegen, in der nach tausenden Jahren noch gelebt wird. Man gräbt immer tiefer und tiefer in dessen Geschichte“, sagt er.
Obwohl Moulis jetzt in Prag lebt, kehrt er mit dem Team der ETF UK regelmäßig nach Israel zurück. Mit seinen Kollegen fährt er auch nach Tel Motza, wo er seit letztem Jahr offizieller Projektfotograf ist. „Jeden Morgen habe ich ein paar Dutzend Minuten um die Funde vom Vortag zu fotografieren, wenn die Sonne niedrig genug steht, sodass keine scharfen Übergänge zwischen Licht und Schatten entstehen. Sobald ich mit dem Fotografieren fertig bin, nehme ich mir Hacke und Schubkarre und fange ebenfalls an zu graben. Wenn im Laufe des Tages etwas gefunden wird, das sofort fotografiert werden muss, dann rufen die Kollegen mich. Dann werfe ich was Werkzeug beiseite, schnappe mir den Fotoapparat und dokumentiere die Funde. Bei den Expeditionen kommen Menschen aus der ganzen Welt zusammen, die eine riesige Begeisterung für ihre Tätigkeit ausstrahlen. Die fotografiere ich gerne“, sagt Moulis.
David Rafael Moulis, von der Redaktion gekürzt
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