Es ist ein natürlicher Ausdruck der Liebe, demjenigen zu helfen, der Hilfe braucht.

7. Dezember 2022

#EKBB Interview mit einer Missionarin und humanitären Helferin.

Interview mit einer Missionarin und humanitären Helferin
7. Dezember 2022 - Es ist ein natürlicher Ausdruck der Liebe, demjenigen zu helfen, der Hilfe braucht.

Lenka Schmidt ist in Prag geboren. Mit sechzehn Jahren erlebte sie die samtene Revolution, infolge derer sich ungeahnte Möglichkeiten eröffneten. In dem Willen den Menschen zu helfen, begann sie Psychologie zu studieren. Sie erlebte Gottes Liebe am eigenen Leib und fühlte sich kurz darauf berufen Missionarin zu werden. Sie half in Kinderheimen und Jugendlagern im Nachkriegsbosnien und als Arzthelferin in entlegenen Gegenden Afrikas. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Wolfgang aus Mainz verbrachte sie zehn Jahre in Afrika. Im Jahr 2008 adoptierten sie in der Demokratischen Republik Kongo die gerade neugeborene Anisska.  Heute lebt Lenka mit ihrer Familie in Tschechien, von wo aus sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Schulprojekte im Kongo leitet.

Als Antwort auf Gottes Liebe haben Sie sich für Unterstützung afrikanischer Kinder entschieden. Wie kamen Sie darauf?

Mein Mann und ich sind ein bisschen verrückt. Ständig sind wir immer dorthin gegangen, wo noch mehr Hilfe nötig war. Aus Europa nach Afrika ist es ein Schritt, in den Kongo ein weiterer und der nächste Schritt führt dann schon in sehr abgeschiedene Gegenden... Als wir in Sambia waren und im von Hochwasser betroffenen Osten des Landes bei der Maisverteilung geholfen haben, stellten wir bald fest, dass sie dort schon so ein kleines Handelszentrum aufgebaut hatten und die Dinge dort anfingen zu funktionieren. Also sind wir wieder aufgebrochen, noch weiter nach Afrika hinein.

Viele Jahre haben Sie im Kongo verbracht und für die humanitäre Organisation Aktive Direkt Hilfe gearbeitet, die dort zwei Schulen und ein Gesundheitszentrum aufgebaut hat. Bestimmt ist es schwierig diese Zeit in wenigen Sätzen zusammenzufassen und dennoch: Was war das Schwierigste und was war das Schönste?

Ehrlich gesagt - 14 Tage nach meiner Ankunft in Afrika wollte ich nur noch weg. Alles dort ist anders! Ich hatte gedacht, ich sei vorbereitet gewesen, aber tatsächlich war ich das nicht. Aber dank der Ermutigung der anderen Teammitglieder und vor allem dank Gottes Liebe und Gnade konnte ich diese Phase überwinden und habe dort viele spannende Jahre verbracht. Die Mehrheit der Freiwilligen hält vielleicht so zwei Jahre durch, denn das Leben in Afrika ist wirklich anstrengend. Sie wissen im Kongo nie genau, wann Sie Strom oder Wasser haben werden, immer funktioniert irgendetwas nicht, es ist ein ewiger Kampf. Da wir finanziell auch nicht überausgestattet waren, habe ich im Laufe diese zehn Jahre nie in einer Wohnung mit Klimatisierung gewohnt. Aber auch wenn man sich manchmal durchschlagen muss, umso größer sind dann die Erfolge! Am Anstrengendsten für mich war es jedesmal, wenn wir in ein anderes Land kamen und aus dem Nichts etwas Neues aufbauen mussten. Wir kamen mit unseren Koffern und etwas Geld in ein völlig fremdes Land, in dem wir oft gar niemanden kannten und mussten nicht nur herausfinden wo am Dringendsten Hilfe benötigt wird, sondern auch wie wir selbst überleben. Gott hat uns dabei aber nie enttäuscht! Es war herrlich zu sehen, wie man uns mit einem Dach über dem Kopf, Lebensmitteln und allem, was wir brauchten, versorgte. Und nicht nur uns, sondern alle, denen wir uns bemüht haben zu helfen.

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Sie haben mit ihrem Mann eine Tochter, die Sie aus einem Waisenhaus im Kongo mitgebracht haben. Was bedeutet diese Lebenserfahrung für Sie?

Es ist fantastisch! Anisska ist wundervoll! Es war eine eher unerwartete Entscheidung. Am Anfang sah es so aus, als würden wir ein halbes Jahr oder länger warten müssen. Aber plötzlich, zehn Tage nach unserem Besuch im Waisenhaus, klingelte unser Telefon und es rief eine Dame aus dem Kinderheim an, teilte uns mit, dass sie ein Neugeborenes hätten und ob wir Interesse hätten. Wir sind sofort losgefahren und haben uns das Mädchen angeschaut. Sie war zwei Tage alt. Als sie eine Woche alt war, baten sie uns das Mädchen vorübergehend mit nach Hause zu nehmen, da sie kein Geld für Milch, Kleidung und Windeln hatten. Dann dauerte es noch weitere etwa acht Monate bis der komplizierte Papierkram abgeschlossen war. Weil das Ganze auf einmal so schnell ging, waren wir materiell nicht so richtig darauf vorbereitet. Aber ein weiteres Wunder war, dass die Sekretärin des belgischen Botschafters uns ungefähr zwei Wochen zuvor einen Karton mit Babykleidung gespendet hatte. Tatsächlich schenkte uns sogar jemand so ein afrikanisches Kinderbett mit Moskitonetz. Es kam dann Besuch aus Deutschland, der weitere Dinge mitbrachte und über einen Kollegen schickten meine Eltern und meine Familie uns ein riesiges Paket mit Babysachen. Wir mussten nur bald feststellen, dass wir das mit der Handwäsche und den Stoffwindeln angesichts der häufigen Strom- und Wasserausfälle und einer Waschmaschine für acht Freiwillige einfach nicht schafften. Daraufhin schenkte uns ein lokaler Sponsor aus dem Libanon Papierwindeln, wofür wir sehr dankbar waren.

Unterscheiden sich die Menschen im Kongo von unseren (europäischen) Vorstellungen?

Auf jeden Fall! Die afrikanische Kultur ist so anders, dass man viel Zeit braucht um sie auch nur im Ansatz zu verstehen. Ein großer Vorteil ist, dass die Menschen von Grund auf der Spiritualität zugeneigt sind. Sowohl im positiven als auch leider im negativen Sinne. Der Glaube an Gott ist dort ein natürlicher Bestandteil des Lebens. Im Kongo und auch in anderen Ländern finden Sie an jeder Ecke eine Kirche. Eigentlich immer, wenn man rausgeht und etwas erledigen muss, trifft man Menschen, die gerne mit einem gemeinsam beten und Jesus annehmen. Viele von ihnen lesen die Bibel und christliche Literatur. Sie haben vor Missionaren großen Respekt.

In Afrika haben Sie sich inmitten kriegerischer Konflikte befunden. Eine der Schulen war von Kämpfen zwischen heimischen Stämmen betroffen, drei Viertel der Bevölkerung des kleinen Städtchens mussten ihre Häuser verlassen und flüchten. Solche Ereignisse können wir aufgrund des Kriegs in der Ukraine jetzt besser verstehen. Wie haben Sie solche Situationen verkraftet?

Das Traurigste ist, dass die große Mehrheit dieser Konflikte aufgrund von Interessen sogenannter entwickelter Staaten passiert. Ist es nicht spannend, dass diese Kämpfe immer in Ländern stattfinden, in denen es viele Bodenschätze gibt, wie zum Beispiel gerade im Kongo? Hier gibt es die größten Vorkommen an Coltan und Cobalt, Rohstoffe, die für Smartphones, Computer und Autobatterien gebraucht werden. Es gibt auch Diamantvorkommen, Gold, Kupfer, usw. Die Mehrheit der hiesigen Bevölkerung ist arm - wer hat also die Möglichkeit zu den Rohstoffen überhaupt vorzudringen und sie abzubauen? Und zu welchem Preis! Wir haben auch Umstürze und Schießereien in den Straßen miterlebt. Sogar sehr nah - in unserem Garten haben wir eine Patronenhülse gefunden! Aber Gottes Schutz ist wundervoll und niemandem von uns ist etwas passiert.

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Sie haben an einem anderen Ort erneut angefangen und eine weitere Schule gebaut. Wie haben Sie das geschafft?

Dank Gilbert, einem Mitglied unserer Organisation im Kongo, haben wir einen weiteren Ort fernab der Zivilisation entdeckt. Gilbert war einer der wichtigsten Manager der ausländischen Telekommunikationsfirma Vodacom und hatte uns schon länger unterstützt. Ihm hatten wir es zu verdanken, dass wir jahrelang umsonst telefonieren konnten, seine Firma spendete uns sogar ein Auto. In der Gegend, aus der Gilbert kam, hatten die Kinder nach der Grundschule weder die Möglichkeit eine Ausbildung anzutreten noch zu arbeiten. Deshalb haben wir für sie eine Land- und Viehwirtschaftsschule in Mabale (500 km von der Hauptstadt entfernt) aufgebaut. Wir zahlen den Lehrern immer noch ihr Gehalt, haben einen Brunnen dort aufgebaut und nach und nach bauen wir das Schulgebäude für weitere Jahrgänge entsprechend aus.

Woher schöpfen Sie immer neue Kraft anderen zu helfen?

Von Gott und seinem Wort! Jeden morgen lesen mein Mann und ich etwa eine Stunde die Bibel und beten. Jeder hat seine Grenzen, aber Gott führt uns weit über unsere eigenen Möglichkeiten hinaus, das ist spannend mitzuerleben. Alleine hätte ich nie das Zeug dazu nach Afrika zu gehen und dort zehn Jahre zu leben!

Was ist für Sie im Leben am Wichtigsten?

Ich liebe Jesus sehr. Ich möchte ihm Freude bereiten und anderen helfen ihn zu erkennen. Das ist meine Lebenspriorität. Wenn die Menschen nur wüssten wie sehr Gott sie liebt und wie sehr er ihnen helfen kann... Für mich ist das wie ein Leben mit Navigationssystem oder ohne. Es geht auch ohne, aber wer schlau ist, benutzt eins!

Immer wieder fasziniert es mich, wie das Beten wirklich funktioniert. Ich bin in einer Familie groß geworden, in der man nicht gläubig war. Am Anfang, als ich ausprobiert habe, ob Gott wirklich „funktioniert“, habe ich ihn um etwas gebeten und wenn er mir geantwortet hat, habe ich das als Zufall abgetan. Die Zufälle häuften sich allerdings und im Leben meiner Liebsten sind Dinge passiert, von denen ich mir ganz sicher sein konnte, dass das keine Zufälle mehr sein konnten.

Zuhause in unserem Bad haben wir eine Stelle an den Fliesen, auf die wir mit Edding die Gebetsanliegen aller aufschreiben, die gerade etwas brauchen. Wenn das Gebet dann erfüllt ist, dann wischen wir das weg und schreiben etwas Neues dorthin. Das bereitet uns große Freude, es ist wundervoll zu sehen wie Gott die Dinge immer wieder löst.

Daniela Ženatá (von der Redaktion gekürzt)

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