Willkommen in unserer Familie!

1. Juli 2022

#EKBB  Wir werden in der Tschechischen Republik wohl kaum einen Ort finden, an dem die Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine so intensiv und gleichzeitig so unwahrscheinlich ist wie in Horní Dubenky (Ober-Dubenken).

Willkommen in unserer Familie!
1. Juli 2022 - Willkommen in unserer Familie!

Nicht etwa deshalb, weil es in dem Dorf mit diesem märchenhaftem Namen [„Dubenky“ erinnert etwa an die in Tschechien bekannte Fee „Duběnka“, Anm. d. Ü.] keine großherzigen Menschen gäbe – im Gegenteil, es gibt viele von ihnen. Aber man findet hier keine großen Sozialdienstzentren, keine Scharen von professionellen Außendienstmitarbeitern oder auch nur ein Umfeld, wie es in Großstädten besteht.

Horní Dubenky ist ein kleines Örtchen mitten auf der Böhmisch-Mährischen Höhe, etwa auf halber Strecke zwischen Jihlava (Iglau) und Jindřichův Hradec (Neuhaus). Die hiesige Hügellandschaft wurde in der Geschichte vor allem von zwei Phänomenen geprägt: der Glasmachertradition und der starken Reformbewegung.

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In den umliegenden Wäldern trafen sich einst Geheimprotestanten, bis es mit dem Erlass des Toleranzpatents durch Kaiser Joseph II. gelang, eine Gemeinde zu gründen. 1786 bauten die Gemeindeglieder aus eigener Kraft eine Kirche mit Gemeindehaus.

Und heuer wurde gerade dieses Areal zum Zentrum der Hilfe für Menschen auf der Flucht vor dem Krieg. Das Dorf, das selbst weniger als 600 Einwohner hat, bot mehreren ukrainischen Flüchtlingen Unterkunft. Sie leben in Familien und in kommunalen Einrichtungen. Das evangelische Gemeindehaus wurde zu einem natürlichen Ort der Begegnung, der Koordination von Aktivitäten, einem Ort der Hilfe …

Die Einwohner organisieren materielle Hilfe für Frauen und Kinder. Sie suchen Kleidung, Schuhe, Lebensmittel sowie Einrichtungsgegenstände und andere lebensnotwendige Dinge zusammen. In ihren Räumlichkeiten richteten sie ein „Gemeinschaftsbüro“ für Frauen ein, die online arbeiten, und stellten ihnen die Technik und eine Internetverbindung zur Verfügung. Den übrigen „ihrer Frauen“, wie sie sie liebevoll nennen, halfen sie, sehr schnell eine Anstellung zu finden. „Sie haben sich aber alle auch ehrenamtlich für unseren Ort eingesetzt – durch die Verschönerung der Umgebung. Sie empfinden das als ihre Ehre und als Ausdruck ihrer Dankbarkeit“, verraten die Menschen aus Dubenky.

„Warten Sie einen Moment, ich bin gerade im Auto“, unterbricht Eva Tkadlečková, die Frau des Ortspfarrers der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder und Hauptkoordinatorin für lokale Angelegenheiten, plötzlich unser Telefonat. Die lustige Situation zeigt, wie hastig hier alles vor sich geht.

Nach ein paar Sekunden der Stille ist sie wieder am Telefon, hört mir geduldig zu und versucht, mir entgegenzukommen. Ich erfahre, dass sie gerade auf dem Weg zu Tschechisch-Sprachkursen ist, die hier dreimal pro Woche abgehalten werden. Darüber hinaus werden Gruppenstunden, Sportangebote, Ausflüge und anderes für Frauen und Kinder organisiert. Die Dorfbewohner halfen allen, die es nötig hatten, beim Erledigen von Formalitäten bei Behörden, sie begleiteten sie zu Ämtern oder Ärzten, zu Anmeldungen und zu geforderten Impfungen und halfen bei der Job- und Schulsuche.

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Bei einem der vorabendlichen Treffen aller Koordinatoren von Hilfe aus der Gemeinde, die regelmäßig am Mittwoch online stattfinden, ist auch die Rede von der Beteiligung und Mithilfe von Kriegsflüchtlingen bei verschiedenen kirchlichen Aktivitäten. Es wird darauf geachtet, dass die ukrainischen Gäste eine Einladung bekommen, aber dass gleichzeitig deutlich wird, dass eine Teilnahme am Gemeindeleben und an den Gottesdiensten in keiner Weise verlangt wird.

In Horní Dubenky finden Aktivitäten ganz ungezwungen statt. Ukrainische Kinder und Jugendliche haben spontan begonnen, sich zu treffen, Erwachsene suchen Pfarrer Hynek Tkadleček zu Gesprächen auf, und er hat Elemente auf Ukrainisch in die Sonntagsgottesdienste aufgenommen, damit die Neuankömmlinge mitmachen können. Dass man hier nach den Gottesdiensten oder zu anderen Gelegenheiten bei Kaffee und Tee zusammensitzt, wird schon niemanden mehr überraschen.

Mehrere ukrainische Frauen haben sich den Liedproben für den Ostergottesdienst angeschlossen. „Schon von klein auf wollte ich im Chor singen, das war mein großer Traum. Aber gleichzeitig glaubte ich nicht, dass er jemals wahr werden könnte. Hier in Dubenky ist es gelungen“, schwärmt eine der neuen Sängerinnen.

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Die Protestanten in Horní Dubenky haben ihren natürlichen Weg gefunden zu helfen. Sie wurden Partner der Ortsgemeinde, die Unterkünfte zur Verfügung stellte. Sie boten dann alles Nötige im Umfeld an – Arbeit, Rechtsberatung, Bildung, Kultur, Seelsorge und Sozialarbeit. Gleichzeitig sind sie bei der Koordinierung der Regionalhilfe aktiv: Sie kommunizieren mit anderen Unterkunftszentren in der Umgebung, lösen gemeinsam Probleme und koordinieren materielle Hilfe. Was irgendwo fehlt, ist vielleicht anderswo zu viel. Was an einem Ort niemand kann, das wird von jemand anderem effektiv erledigt.

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