#Fakultät „Im Jahr 2014 haben die Separatisten eine Militärbasis aus ihr gemacht. Den Sportplatz haben sie mit Panzern und Artillerie vollgestellt. Die Bibliothek und die gesamte Ausstattung in den Unterrichtsräumen haben sie zerstört. Ich hätte nie geglaubt, dass Russland einen so brutalen Krieg gegen die Ukraine anfängt", sagt Vjačeslav Lytvynenko, Absolvent der Christlichen Universität Donezk.
Nach seinem Abschluss dort setzte er sein Studium an der Evangelisch-Theologischen Fakultät im belgischen Löwen (Leuven) fort. Im Jahr 2010 ging er mit seiner Familie in die Tschechische Republik und fing an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Karlsuniversität an, wo er im Jahr 2014 seine Dissertation verteidigte. In dieser widmete er sich einer der bedeutendsten Figuren des östlichen Christentums, Athanasius dem Großen.
Sie beschäftigen sich schon seit langer Zeit mit Athanasius dem Großen. Weshalb ist er so besonders?
Athanasius der Große ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten des christlichen Mittelalters. Er lebte in der Zeit der theologischen Krise im 4. Jahrhundert und verfasste ungefähr 60 Schriften, dank derer wir die damalige Zeit rekonstruieren und aus ihr lernen können. Eines der Themen, mit denen ich mich in letzter Zeit beschäftigt habe, ist der Wert und die Würde der Menschheit. Athanasius der Große geht in seiner Auffassung vom Menschen von der Bibel aus. Dort ist der Mensch als Ebenbild Gottes beschrieben. Athanasius lehrte also, dass der Mensch seine Wertvorstellungen als natürliches Geschenk von Gott erhalten hat. Deshalb ist er in der Lage anderen Menschen dieselbe Liebe zuteil werden zu lassen. Ich denke, dass das für die heutige Zeit eine gute und aktuelle Nachricht ist. Jeder von uns kann dazu beitragen, dass die Welt besser wird.
Sie haben in Donezk und im belgischen Löwen studiert. Warum haben Sie sich im Rahmen Ihrer Forschungsvorhaben für die ETF UK in Prag entschieden?
Das Doktorat in Löwen habe ich als Fernstudium absolviert, gleichzeitig habe ich viel an der Christlichen Universität Donezk gelehrt. Ich bin mir schließlich dessen bewusst geworden, dass ich nicht genügend Zeit hatte und außerdem keinen Zugang zu einer Bibliothek mit patristischen Quellen. Seitdem habe ich mich nach weiteren Forschungsmöglichkeiten in relativer Nähe der Ukraine umgeschaut und festgestellt, dass an der ETF UK eine der besten Wissenschaftlerinnen im Bereich der Patristik tätig ist, nämlich Professor Lenka Karfíková. Im Herbst 2010 hat sie mich als ihren Studenten angenommen. Dank ihrer Betreuung konnte ich 2014 meine Dissertation verteidigen.
lm selben Jahr, in dem Sie in Prag Ihre Dissertation verteidigt haben, haben prorussische Separatisten Donezk besetzt und Sie sich dauerhaft in Tschechien niedergelassen. Wie war das Leben in Donezk bevor die Stadt von Separatisten besetzt wurde?
Ich habe Donezk als sehr schöne Stadt in Erinnerung. Mit einer Million Einwohnern bot die Stadt vielfältige Möglichkeiten für Studium und beruflichen Werdegang. Obwohl sie eine der größten Kohleförder- und Industriezentren der Ukraine war, gab es dort viele große Parks und Kulturstätten. Es gab viele Möglichkeiten spazieren zu gehen, auch unsere drei kleinen Kinder hatten ihren Spaß. Sonntags sind wir in die Kirche gegangen und nach dem Gottesdienst haben wir mit unseren Freunden viele schöne Dinge unternommen. Donezk war bekannt als die Stadt der Millionen Rosen und gleichzeitig hatte sie leider ihren Ruf weg als die Bergbaustadt mit den meisten, auch tödlichen, Unfällen in der Ukraine.
Wie hat sich die Situation in Donezk seit der Einnahme durch die Separatisten verändert?
Die Situation in der Stadt hat sich natürlich radikal in Richtung Integration mit Russland verändert. Die Grenzen zu anderen ukrainischen Städten wurden sofort geschlossen, viele Menschen haben Donezk verlassen. Diejenigen, die geblieben sind, haben russische Pässe bekommen. Es wurde verboten Ukrainisch zu sprechen und es entstand eine strenge Medienzensur. Ukrainische Lehrbücher wurden in den Schulen durch russische ersetzt. Anstatt mit der ukrainischen Hrywnja wurde plötzlich mit russischen Rubeln bezahlt. Der Krieg und die Isolation haben Zerstörung, Armut und Wut über die Stadt gebracht.
Ich habe gelesen, dass die Christliche Universität Donezk, an der Sie studiert und gearbeitet haben, 2014 von Separatisten besetzt worden ist, die aus dem Universitätsgebäude eine Militärbasis gemacht haben. Was genau ist dort passiert?
Die Separatisten haben meinen Kollegen befohlen das Gebäude leerzuräumen. Dafür hatten sie drei Tage Zeit, aber tatsächlich stürmten die Separatisten direkt am nächsten Tag die Universität und besetzten sie. Die Universitätsangestellten hatten bloß Zeit das Wichtigste mitzunehmen, schwere Dinge, wie Unterlagen und PCs blieben dort. Aus dem Unigebäude haben die Separatisten dann eine Militärbasis gemacht, im Lagerraum hielten sie ukrainische Kriegsgefangene. Den Sportplatz haben sie mit Panzern und Artillerie vollgestellt. Die Bibliothek und die gesamte Ausstattung in den Unterrichtsräumen haben sie zerstört.
Konnte die Universität seitdem ihre Tätigkeit wieder aufnehmen? Konnte sie in eine andere ukrainische Stadt verlegt werden?
Es ist leider weder gelungen die Tätigkeit wieder aufzunehmen noch die Universität in eine andere Stadt zu verlagern. Was derzeit im Gebäude der Uni passiert wissen wir nicht.
Sie leben mit Ihrer Frau und Ihren Kindern dauerhaft in der Tschechischen Republik, aber Ihre Familie ist in der Ukraine. Haben Sie Neuigkeiten von Ihrer Familie?
Ich komme ursprünglich aus der kleinen Stadt Druschkiwka in der Oblast Donezk. 1993 bin ich nach Donezk umgezogen. In Druschkiwka haben wir immer noch Verwandte. Meine Schwägerin ist mit ihrem Mann und ihren drei Kindern Ende Februar nach Prag gekommen.
Meine Mutter wollte bis zum Ausbruch des Feuers im Kernkraftwerk Saporischschja nicht gehen. An dem Tag wartete sie 27 Stunden am Bahnhof auf den Zug nach Lviv. Sie hat fünf Tage gebraucht, bis sie bei uns war. Anfang März haben wir sie an der polnischen Grenze abgeholt. Meine Schwiegermutter hat Krebs und ist zu geschwächt um das Land zu verlassen. Mein Schwager ist in Mariupol geblieben. Wir wissen nicht, was mit ihm ist. Auch über den Verbleib von weiteren Verwandten im Donbass und in Kyiv wissen wir nichts. Ich bin den Tschechen aufrichtig dankbar dafür, wie sie in diesen schweren Zeiten den Ukrainern helfen und sich um sie kümmern. Sie tun wirklich fantastische Dinge!
Haben Sie erwartet, dass die Situation derartig zu einem offenen Krieg eskaliert?
Ich hätte nie geglaubt, dass Russland einen so brutalen Krieg gegen die Ukraine anfängt. Das verstößt gegen internationales Recht und gegen die territoriale Integrität eines anderen Staats, das ist unmöglich zu tolerieren. Ich bin stolz auf die Ukrainer, die gegen den russischen Aggressor kämpfen und bete dafür, dass das alles bald endet und unser Land wieder ein freies Land wird. Ich hoffe sehr, dass die Situation in der Ostukraine nicht so wird wie in Georgien, wo Russland schon seit vielen Jahren die separatistischen Republiken Abchasien und Südossetien unterstützt. Die breite Unterstützung der internationalen Gemeinschaft wird hoffentlich diesen schrecklichen Krieg zugunsten der Ukraine beenden.
Helena Zdráhalová, von der Redaktion gekürzt
Interessieren Sie sich für Neuigkeiten aus unserer Kirche?