Verehrte Leserinnen und Leser,
darüber, dass die Jahrestage in unserer Kirche nicht enden wollen, habe ich schon im letzten Editorial in diesem Sommer geschrieben. Und jetzt kommt ein weiterer Jahrestag, der auch wichtig ist. Er hat zwar kein keinen christlichen Hintergrund, aber er betrifft auch die Christen ganz existenziell, geht es in ihm doch um die Freiheit! Um die Freiheit von uns allen, Bürgern der ehemaligen Tschechoslowakei, die wie bei der samtenen Revolution errungen haben „im samtenen zärtlichen November“ des Jahres 1989. Also gerade vor dreißig Jahren!
Und wie ist es heute? Haben wir immer noch Grund zur Freude? Was und wohin ging uns in den 30 Jahren verloren? Zweifel und Fragen bestätigen uns in einem – der Kampf um die Freiheit endet nie.
Es macht keinen großen Sinn zu beschreiben, was Sie alles im neuen Bulletin erwartet, ein bedeutendes Ereignis möchte ich dennoch erwähnen, und dieses Mal wirklich ein kirchliches Ereignis – die ganz neue evangelische Schule mit dem Namen Filipka, mit deren Direktorin Sie im letzten Bulletin ein Gespräch lesen konnten, wurde im September wirklich feierlich eröffnet. In der Schule geht es fröhlich zu, zufrieden sind die kleinen Schüler und die Lehrer. Hoffen wir, dass dies immer so sein wird. Und hoffen wir auch, dass das neue Bulletin Ihr Interesse weckt.
Der Advent kommt, wir können uns wieder auf Weihnachten freuen, auf das Fest der Geburt von Gottes Sohn, der zu uns gekommen ist, um uns zu begleiten und zu trösten, um uns über dem Wasser zu halten und hauptsächlich um mit uns zu sein und über uns als Vision der kommenden Dinge.
Mit dem Wunsch von Gottes Frieden grüße ich Sie für die ganze Redaktion
Jana Plíšková
DIE EVANGELISCHE KIRCHE DER BÖHMISCHEN BRÜDER
P.O. Box 466, Jungmannova 9,
CZ 111 21 Praha 1, Czech Republic
Tel: (+ 420) 224 999 215(216); Fax: (+ 420) 224 999 219
E-Mail: ekumena@e-cirkev.cz
Internet: www.e-cirkev.cz
Die Grundlagen der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) wurzeln in der Utraquistischen Kirche (1431–1620) und in der Brüderunität ((1457–1620). Die EKBB entstand in ihrer heutigen Gestalt im Jahr 1918 durch den Zusammenschluss der bis dahin selbständigen evangelischen Kirchen Augsburger und Helvetischen Bekenntnisses. Deren Existenz wurde nach dem Ende der harten Gegenreformation, die von 1620 bis zum Erlass des Toleranzpatens durch Kaiser Joself II. im Jahr 1781 dauerte, erlaubt. Die strengen Beschränkungen mussten die Evangelischen freilich auch danach beachten, bis zum Erlass des Protestantenpatentes im Jahr 1861.
In der Zeit ihrer Entstehung hatte die EKBB 250 000 Mitglieder, im Jahre 1938 waren es dann schon 325 000 Mitglieder. Heute ist die Kirche in 14 Seniorate aufgeteilt mit einer Gesamtzahl von 250 Gemeinden und ca. 80 000 Gemeindegliedern. Die Kirche wird vom sechsköpfigen Synodalrat geleitet, der auf sechs Jahre gewählt wird. Repräsentiert wird die Kirche vom Synodalsenior und vom Synodalkurator.
Seit der Samtenen Revolution, die am 17.11.1989 begonnen hat, sind 30 Jahre vergangen. Das ist ein bedeutender Meilenstein und darum ein guter Grund, warum wir uns diesem Jahr dem Jubiläum mehr widmen, als wir es in den vergangenen Jahren getan haben.
Die Nachricht von der Demonstration auf der Nationalstraße (Národní třída) in Prag am 17.11.1989 verbreitete sich schnell in der ganzen Welt und brachte weitere unerwartete Ereignisse in Gang, die sich auf einmal über die ganze Republik ausweiteten und schließlich zur Befreiung von der Kommunistischen Diktatur führten.
Warum aber hat diese spontane Demonstration genau an diesem Tag stattgefunden?
Der 17. November ist seit dem Jahr 1941 der internationale Tag der Studenten. Den Grund dafür muss man paradoxerweise genau in unserem kleinen Land suchen: Im Jahr 1939, nach großen Studentenprotesten gegen die Besetzung der Tschechoslowakei durch die Nazis, wurden auf Bestimmung des Reichsprotektors am 17. November alle tschechischen Hochschulen geschlossen. Studenten und Dozenten wurden inhaftiert, neun Studenten wurden erschossen, 1200 Studenten wurden ins KZ Sachsenhausen deportiert.
Zu einer symbolischen Person dieser grausamen Zeit wurde der Student Jan Opletal. Bei einer Demonstration im Herbst 1939 wurde er angeschossen und nach 14 Tagen starb er. Sein Beerdigungszug fand im Prager Stadtviertel Albertov statt, an dem Ort, wo das Treffen einberufen wurde, das genau 50 Jahre nach der Nazi-Herrschaft an das Jahr 1939 erinnern sollte.
Dort begann also 1989 der friedliche Marsch, ausgehend von Albertov bis zur Nationalstraße, wo aber die Polizei, damals die sog. Öffentliche Sicherheit, die Demonstranten hart mit Knüppeln auseinandertrieb.
Obgleich so hart gegen die Demonstration vorgegangen worden war, konnte auf einmal der Lauf der Dinge nicht mehr aufgehalten werden, die Demonstrationen wiederholten sich Tag für Tag und es begann die sog. Samtene Revolution, die zum definitiven Ende der Herrschaft der Kommunisten in der Tschechoslowakei führte. Nach 40 Jahren der Unfreiheit wurde zu der ersten demokratischen Wahl des Präsidenten aufgerufen, welche Vaclav Havel gewann.
Gern erinnern wir uns hier aber auch an die Synode der EKBB, die an eben jenem Freitag, dem 17. November stattfand. Nach der gewaltvollen Auflösung der Demonstration kamen später am Abend evangelische Jugendliche zu der Versammlung der Synode und berichteten, was auf der Nationalstraße passiert war. Der damalige Synodalsenior Josef Hromádka schrieb sofort einen Protestbrief an den Regierungsvorsitzenden Ladislav Adamec, es war überhaupt der erste offizielle Protest im ganzen Land, allerdings ohne fühlbare Folgen. Die EKBB blieb aber auch in den weiteren Tagen, Wochen und Monaten im Zentrum der Geschehnisse, und hat zur Gründung einer demokratischen Gesellschaft entscheidend beigetragen.
Und weil wir dieses Jahr das bedeutende 30-jährige Jubiläum dieser Ereignisse feiern, haben wir seitens der Kirche eine Homepage mit dem Titel: 30-Freiheits-Jahre gestaltet. Über das ganze Jahr möchten wir auf dieser Homepage an die Geschichte erinnern, die festgehalten werden soll. Es werden dort zeitgeschichtliche Materialien zusammengesammelt, Berichte von Ereignissen, Erinnerungen, Videos und Fotos, alles, was an die berührende Zeit erinnert und was es wert ist, geteilt zu werden. Es geht uns darum zu dokumentieren, wie der Übergang zu der freiheitlichen Gesellschaft gerade in den Gemeinden der EKBB vor sich gegangen ist. Die Beiträge kommen von evangelischen Gemeinden der ganzen Republik, es schreiben uns Pfarrer, die 1989 im Dienst waren, es erinnern sich auch Gemeinderatsmitglieder. Solche gewichtigen Momente unserer Geschichte dürfen nicht in Vergessenheit geraten.
Prof. Jan Heller, ein bedeutender tschechischer Theologe, sagte einmal in diesen bewegten Tagen: „Dass in diesen revolutionären Tagen niemand sein Leben lassen musste, das ist für mich ein eindeutiges Zeichen eines Wunders.“
Jana Plíšková, Photos Pavel Capoušek
Die Tür der siebten Schule der Evangelischen Akademie öffnete sich am ersten Schultag für Schüler der ersten bis vierten Klasse. Sie heißt Filipka – Schule mit Geschichten und liegt in Brünn in der Filipínský-Straße.
An der feierlichen Eröffnung an der Schultür nahmen Kinder, Eltern, der Freundeskreis der Schule und die Partnergemeinde der EKBB in Brünn-Husovice, sowie Vertreter der Kirchenleitung teil.
In den zwei Jahren der Vorbereitung und der vielen Ungewissheiten wurde immer von diesem Ereignis geträumt, das jetzt Wirklichkeit wurde. Die Schüler kommen, Lehrerinnen und Assistentinnen sind vorbereitet, das Schulgebäude strahlt vor Sauberkeit, die Flure sind mit bunter Dekoration geschmückt. Die Klassen sind wie verschiedenfarbige Planeten gekennzeichnet und die Weltraumreise der Erkenntnis beginnt.
In seiner Predigt beim Eröffnungsgottesdienst brachte Synodalsenior Daniel Ženatý seine Dankbarkeit zum Ausdruck und erinnerte daran, wie wichtig Wahrheit und Freiheit für das Zusammenleben innerhalb und außerhalb der Schule sind. Nach dem Gottesdienst begann für die Kinder und auch die Erwachsenen das Kennenlernen der eigenen Klassen und Lehrerinnen und der der erste Schultag endete mit einer Theateraufführung.
„Ab morgen wird die Festfreude gegenechten Forschergeist getauscht, aufregend und abenteuerlich wie eine Entdeckungsreise. Dafür braucht man nicht nur einen freien Geist, sondern auch Gemeinschaftssinn und das Gefühl, dass alle an einem Strang ziehen,“ sagte die Direktorin der neuen Schule, Ruth Konvalinková, zum Abschluss der Feierlichkeiten. Wohlan, auf dass dies glücke!
Filipka bietet ein alternatives Unterrichtsprogramm für die Schüler der ersten Klassen. In jeder Klasse sind Kinder zweier Jahrgänge, sodass die älteren den jüngeren helfen. Wenn die Schule ausgelastet sein wird, unterstützen zwei Lehrerinnen und eventuell eine Assistentin eine Klasse. Diese arbeitet mit Kindern mit Förderbedarf oder mit schwierigem sozialem Hintergrund. Im Laufe der Zeit soll die Schule bis zur neunten Klasse ausgeweitet werden.
Ein Tag in der Woche ist für den Unterricht außerhalb des Klassenzimmers reserviert, was sicherlich diejenigen Kinder freut, die im Vorschulalter einen sog. Waldkindergarten besucht haben. Es stehen ein großer Schulhof und eine Scheune zur Verfügung, in der mit der Zeit „Ateliers“ eingerichtet werden, in denen die Kinder verschiedene Handwerke ausprobieren können. Es ist auch Unterricht draußen in dem wunderschönen und großflächigen Garten der befreundeten Mittelschule für Gesundheitswesen in Brünn-Líšeň geplant, die ebenfalls zu den Schulen der Evangelischen Akademie gehört.
Der Träger der Filipka ist die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder. Und warum „Schule mit Geschichten“? Das Hauptaugenmerk der Schule liegt, im Geist der Böhmischen Brüder, auf der Achtung des geschriebenen und gesprochenen Wortes. „Unser Ziel ist es, Kinder so zu erziehen, dass sie reife Leser werden, die kritisch denken und ihre Gedanken mündlich und schriftlich zum Ausdruck bringen können und mit allen eine gemeinsame Sprache finden,“ sagt Ruth Konvalinková.
Daniela Ženatá
Vertreter der christlichen Kirchen haben eine wichtige Vereinbarung mit dem tschechischen Gesundheitsministerium unterzeichnet. Die Vereinbarung wurde nach zwölfjährigen Bemühungen zwischen dem Gesundheitsministerium, der tschechischen Bischofskonferenz (ČBK) und dem Ökumenischen Rat der Kirchen in der Tschechischen Republik (ERC) geschlossen. Diese stellt einen historisch bedeutenden Schritt dar, denn sie regelt erstmals den Rahmen, Konzepte und die Struktur für das Seelsorgeangebot im Gesundheitswesen.
„Seelsorge spielt eine äußerst wichtige und unersetzliche Rolle bei der Gesundheitsversorgung im Krankenhaus. Sie ist bei Weitem nicht nur für Schwerkranke oder Senioren gedacht, sondern auch für deren Familienangehörige und Hinterbliebene. Dabei muss man für die Inanspruchnahme nicht unbedingt gläubig sein. Viele Menschen haben in schwierigen Lebenssituationen das Bedürfnis, über ihre Probleme zu sprechen oder mit jemandem Vertrauenswürdigen darüber zu sprechen, warum es unheilbare Krankheiten gibt oder was mit uns nach dem Tod passiert“ erklärte Gesundheitsminister Adam Vojtěch und bedankte sich bei den Mitgliedern des Rates für Seelsorge im Gesundheitswesen für die Vorbereitung der dreiseitigen Vereinbarung.
Gemeinsam mit ihnen unterschrieben Dominik Duka für die ČBK und Daniel Ženatý und Petr Jan Vinš für den ERC. „In der Tschechischen Republik gibt es eine einzigartige Zusammenarbeit zwischen den Kirchen im seelsorgerlichen Bereich für Menschen in außergewöhnlichen Lebenslagen – in der Armee, im Krankenhaus oder bei einem Krankenhausaufenthalt. Krankenhausseelsorge findet auf ökumenischer Basis statt, sie soll alle begleiten, die dies wünschen, unabhängig von deren kirchlicher Zugehörigkeit“ sagte der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen Petr Jan Vinš.
Seelsorge im Krankenhaus kann ausschließlich von Kaplanen angeboten werden, d. h. von Menschen, die von der Kirche beauftragt und gemeinsam von ČBK und ERC entsandt worden sind. Die Vereinbarung legt Qualifikationsstandards für diejenigen fest, die diesen Dienst leisten. Neben einem abgeschlossenen Hochschulstudium muss der Seelsorgekandidat oder die Seelsorgekandidatin einen speziellen Kurs an einer theologischen Fakultät absolvieren.
Priester und Pastorinnen gingen schon seit langem in die Krankenhäuser. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre bei der Errichtung von Hospizeinrichtungen erwies sich die Rolle von Geistlichen in Palliativteams als unersetzlich. Seelsorge im Krankenhaus dient den Patienten, ihren Angehörigen und dem Personal. Momentan sind ungefähr 140 Kaplane aus zehn verschiedenen Kirchen in hundert tschechischen Krankenhäusern und Hospizen tätig.
Druckrechte beim Gesundheitsministerium der Tschechischen Republik/Daniela Ženatá
Am 17. September 2019 trafen sich in Warschau Vertreter von fünf evangelischen Kirchen aus Mitteleuropa, um über die aktuelle Situation in unserer Region zu sprechen. Die leitenden Geistlichen der beteiligten Kirchen unterzeichneten dabei eine gemeinsame Absichtserklärung, in der unter anderem eine engere Zusammenarbeit der Kirchen in der Region vereinbart wurde.
Die Begegnung fand im Kontext einer Konferenz statt, die tags zuvor von der Evangelisch-augsburgischen Kirche in Polen und vielen weiteren Kooperationspartnern unter dem Titel „Wir schaffen Frieden“ organisiert worden war. Dabei wurde die Demokratiedenkschrift der EKD sowie weitere Dokumente vorgestellt und in ökumenischer Offenheit der Zusammenhang von Glaube und Demokratie diskutiert.
Ein Bekenntnis zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit enthält auch die gemeinsame Erklärung. Die leitenden Geistlichen betonen darin, dass die evangelischen Kirchen in Mitteleuropa an den drängenden Fragen unserer Zeit, wie der Bewahrung der Schöpfung sowie dem friedlichen Zusammenleben von Menschen, Nationen und Religionen beitragen wollen. Als Minderheitskirchen wollen sie ihre Stimme mit prophetischem Zeugnis hören lassen. Ähnliche Begegnungen sollen von nun an jedes Jahr stattfinden, wobei die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder im Herbst 2020 dazu einladen möchte.
Ganzer Text der Erklärung:
Gemeinsame Erklärung der leitenden Geistlichen
Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder (CZ)
Schlesische Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses (CZ)
Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der Slowakei
Evangelisch-Augsburgische Kirche in Polen
Evangelisch-Lutherische Kirche in Ungarn
„Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist. (….) Darum lasst uns dem nachstreben, was zum Frieden dient und zur Erbauung untereinander.” (Röm. 14,17.19; Lutherbibel 2017)
Während der Konferenz „Wir schaffen Frieden”, die am 16. September 2019 in Warschau stattgefunden hat,
– im Bewusstsein der uns verbindenden Geschichte und geographischen Lage, insbesondere der Grausamkeiten, die Mitteleuropa im 20. Jahrhundert durchlitten hat,
30 Jahre nach der Befreiung von kommunistischer Gewaltherrschaft
– unter Berufung auf die gemeinsamen Werte, die in unserem christlichen Glauben und unserem evangelischen Erbe wurzeln und unser Handeln in Freiheit und Verantwortung bestimmen,
–basierend auf der Gemeinschaft, die wir im Rahmen des Lutherischen Weltbundes bilden,
erklären wir unseren Willen zu engerer Freundschaft und Zusammenarbeit unserer Kirchen in der Region, um Zeugnis zu geben von unserem Glauben, unserer Hoffnung und Liebe, die sich aus der befreienden und heilenden Kraft von Gottes Liebe ergeben, die im auferstandenen Christus zum Ausdruck gekommen ist.
erklären wir unseren Willen zur Bewahrung der Schöpfung und zum respektvollen Zusammenleben der Menschen, Nationen und Religionen in Europa beizutragen und dass unsere Kirchen die Grundsätze der Demokratie und des Rechtstaates unterstützen, weil wir als Christen berufen sind, Sorge zu tragen für Werte wie: Wahrheit, Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Menschenwürde und Minderheitenschutz.
Diese Erklärung bedeutet:
Gott möge uns dabei helfen!
Warschau, den 17. 9. 2019
Daniel Ženatý, Synodalsenior der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder
Tomáš Tyrlík, Bischof der Schlesischen Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses
Ivan Eľko, Generalbischof der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der Sklowakei
Jerzy Samiec, Leitender Bischof der Evangelisch-Augsburgischen Kirche in Polen
Tamás Fabiny, Leitender Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn
Das, was in Eger (Cheb) in den letzten Jahren gelungen ist, grenzt an ein Wunder. Noch im Jahr 2017 waren in der evangelischen Kirche die Risse in der Wand so breit, dass man durch sie nach draußen sehen konnte. Das Dach wartete auf eine Reparatur und der Putz, der von der Fassade fiel, gefährdete Vorbeigehende.
Dank der großen Unterstützung durch die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern, die Stadt Cheb, das Kultusministerium der Tschechischen Republik, den Deutsch-tschechischen Zukunftsfond und andere konnte die evangelische Friedenskirche jedoch vor dem Verfall gerettet und für die künftige Generation erhalten werden. Die Kirche ist nun auch wieder statisch gesichert.
Am Sonntag, den 6. Oktober 2019 wurde die Kirche feierlich wieder ihrer Bestimmung übergeben. Der Festgottesdienst zum Erntedankfest mit Austeilung des Abendmahls wurde zweisprachig gehalten. Neben den Mitgliedern der Ortsgemeinde waren auch Menschen aus der deutschen Partnergemeinde Marktredwitz und die Regionalbischöfin aus Bayreuth Dorothea Greiner gekommen. Der Synodalsenior der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder Daniel Ženatý erinnerte daran, dass in der gesamten EKBB derzeit ein neues Finanzierungsmodell eingeführt wird, bei dem die Verantwortung aller Mitglieder wichtiger wird, und dass die Menschen Solidarität lernen.
In diesem Sinne kann auch das Wort verstanden werden, dass auf Deutsch am Altar der Kirche steht – „Frieden sei mit euch“. Es hat die Zeiten überdauert, es hat alle Besucher während des Erntedankfestes begleitet und es ruft auch zur Verantwortung für die Zukunft.
Oliver Engelhardt
Ungefähr 500 Teilnehmer kamen während des ersten Oktoberwochenendes zum Treffen (nicht nur) evangelischer Jugendlicher in Nové Město na Moravě zusammen. Das 29. Treffen stand unter dem Titel „Open space“ – offener Raum.
Wie kann man anderen gegenüber offen sein und dabei seine eigenen Grenzen schützen? Ist ein offener Raum gefährlich? Wollen wir ihn betreten und in ihm Zeugnis ablegen oder lassen wir uns lieber freiwillig in unserer gemütlichen sozialen Blase einschließen? Geben uns Freiheit und Offenheit Hoffnung oder sind sie eher Gelegenheit zu uferloser Unbestimmtheit und Haltlosigkeit?
Antworten auf diese Fragen suchten die Jugendlichen in Vorträgen, Diskussionsrunden, in Filmen, beim gemeinsamen Essen, auf Spaziergängen oder bei Meditation, beim Singen, auf Konzerten und im Gebet.
Unter den Gästen und Referenten waren zum Beispiel ein bekannter tschechischer Journalist, eine Architektin und Pfarrer zu finden, aber auch ein Mitglied der Kirchenleitung und Lehrer der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Die Teilnehmer beschäftigten sich mit ökumenischer Offenheit, der Medienwelt und Fake news, sie dachten über die Entdeckung des Kosmos und die Auferstehungsbotschaft nach, bedachten die Kraft von Gleichnissen und biblischen Geschichten ...
Das stärkste Motiv aber ist die Gemeinschaft selbst. Junge Protestanten kommen aus der ganzen Republik zusammen, um sich drei Tage lang mit Gleichaltrigen zu treffen, Spaß zu haben und ihren Glauben zu bedenken. Am Abschlussgottesdienst mit Abendmal haben ewta 600 Menschen teilgenommen, einschließlich der Gemeindeglieder der Kirchgemeinde vor Ort.
Das nächste Treffen dieser Art wird viertägig sein und im September 2020 in Vsetín in Mähren stattfinden.
Jiří Hofman
Belgická 22, CZ 120 00 Praha 2, Czech Republic
Tel: (+ 420) 242 487 811 (812); Fax: (+420) 242 487 834
E-mail: info@diakonie.cz
Internet: www.diakonie.cz
Die Diakonie der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) ist eine gemeinnützige christliche Organisation, die Hilfe und Unterstützung anbietet für ein würdiges und vollwertiges Leben, auch wenn es durch Alter, Krankheit, gesundheitliche Behinderungen, Isolation, schwierige soziale Situationen und andere Lebenskrisen beeinträchtigt ist. Die Dienste der Diakonie der EKBB erfolgen auf der Grundlage der Botschaft des Evangeliums von der Liebe Gottes und nach dem Vorbild des Dienstes Jesu Christi. In ihren Zentren und Spezial-Schulen bietet die Diakonie soziale, gesundheitliche, Bildungs- und Seelsorgedienste an. Unter den nicht-staatlichen Organisationen, die soziale Dienste anbieten, ist die Diakonie der EKBB die zweitgrösste Institution.
Feste, Musik, Gespräche, Gedenken und Projekte. Das alles fand bei den Feierlichkeiten zum dreißigjährigen Jubiläum der Diakonie statt. Sie begannen professionell mit einem internationalen Seminar mit dem Thema des Wertes diakonischer Arbeit. Es fanden zwei Treffen in der Prager Salvator-Kirche und danach im Zentrum „Prager Kreuzung“ von Dagmar und Václav Havel statt. Musikalisch gestalteten die Feierlichkeiten das Orchester des Konservatoriums der Evangelischen Akademie unter der Leitung von Ladislav Moravetz und Hradišťan, ein weltbekanntes Ensemble, das mährische Folklore mit Weltmusik verbindet. Mit Reden, Grüßen und wünschen traten internationale Gäste, Klienten der Diakonie und Gründer der Organisation auf, dank derer sich die Diakonie im Jahr 1989 erneuerte und zu einer der angesehensten Hilfsorganisationen in der Tschechischen Republik heranwuchs.
Der Erlös der Fastensammlung in Höhe von 600.000 Tschechischen Kronen kommt syrischen Flüchtlingen im Libanon und in Jordanien zugute. Die Diakonie wird von dem Geld Ausrüstung für den Winter anschaffen, denn dann ist es in den Gebirgsregionen des Libanon erstaunlich kalt. Für Flüchtlinge, die oft in kargen Räumlichkeiten leben, ist er nicht einfach zu überleben. Decken, Matratzen, Öfen oder Heizöl werden von der Diakonie vor Ort gekauft, um den lokalen Markt zu unterstützen. Warme Decken werden direkt von syrischen Flüchtlingen in Gemeinschaftswerkstätten hergestellt, und dank unserer Hilfe bekommen sie so Arbeit.
Mit einem Teil des Geldes wird zudem die Errichtung und der Betrieb eines Gemeinschaftszentrums in der jordanischen Stadt Zarqá unterstützt, das Freizeit- und Bildungskurse anbietet und die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Flüchtlinge fördert.
„Wir sind seit 2017 im Libanon tätig. Mit Unterstützung des tschechischen Außenministeriums und in Zusammenarbeit mit unserem lokalen Partner helfen wir den am stärksten gefährdeten Menschen, die nicht von der offiziellen Hilfe der Vereinten Nationen profitieren“, sagt Erik Siegl, Leiter der Auslandsabteilung für humanitäre und entwicklungspolitische Zusammenarbeit der Diakonie, und fügt hinzu: „Den syrischen Flüchtlingen wurde auch der Erlös der Fastensammlung von 2018 gewidmet. 700.000 Kronen flossen in den Bau und Betrieb einer Tagesstätte für Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren im jordanischen Flüchtlingslager Zaatarí.“
Die Fastensammlung wird seit zwölf Jahren immer vor Ostern vom Zentrum für humanitäre und entwicklungspolitische Zusammenarbeit der Diakonie veranstaltet. Ihre Einnahmen sind stets für bedürftige Menschen im Ausland bestimmt. Insgesamt trugen die Spender im gesamten Zeitraum 5,5 Millionen Kronen bei.
Ivana Dingová
Manche Familien ziehen wegen dieser Schule sogar über 100 Kilometer um. Als eine von wenigen in der Tschechischen Republik nimmt sie nämlich langfristig Schülerinnen und Schüler mit Autismus auf und sie bietet neben der Ausbildung auch eine Ganztagesbetreuung an. 114 Kinder besuchen die Schule. Eine bestimmte Form von Autismus haben mehr als die Hälfte von ihnen, 80 % der Kinder sprechen nicht und mit den Lehrern kommunizieren sie über das sog. „Bildaustausch-Kommunikationssystem“ (engl. PECS). Mit den Eltern und den Angestellten bildet die Schule eine große Gemeinschaft, wie auch aus dem Gespräch mit ihrer Leiterin Ivana Kováčova hervorgeht.
Was ist bei Ihnen in Merklín neu in diesem Schuljahr?
Wir haben zwei Neuheiten. Zum einen den Außenbereich unserer Schule. Der neue Spielplatz dient unseren Schülerinnen und Schüler zur Entspannung und zur Übung. Und als zweites haben wir seit Beginn des neuen Schuljahrs einen schönen neuen Mikrobus mit neun Sitzen. Bei der Einweihung des Busses war der Pilsner Landrat dabei. Der Bus bringt die Kinder zur Schule und zurück, und er wird auch eingesetzt, wenn die Kinder zum Schwimmen, zur Reittherapie oder auf Ausflüge fahren.
Unsere Schule bot von Anfang an einen Fahrdienst für die Kinder an. Heute wird der Fahrdienst von externen Firmen ausgerichtet. Wir brauchten aber auch dringend ein eigenes Auto. Es kommen immer mehr Kinder zu uns und ein Abflauen des Interesses ist nicht absehbar. Wir sind gewachsen. Allein in Merklín haben wir drei Gebäude, außerdem haben wir Außenstellen in Sušice und Pilsen. Ein eigener Wagen hilft uns in unserer Arbeit sehr.
Die Schule in Merklín betreibt auch ein Internat. Das ist für eine Förderschule alles andere als gewöhnlich.
Das ist unsere Besonderheit, die dann von anderen Schulen der Diakonie übernommen wurde. Als im Jahr 1994 unsere Schule gegründet wurde, gehörte zur Schule auch das Wohnheim „Radost“, es bot für die Schüler auch eine Unterkunft. Dann musste man aber wegen einer Gesetzesänderung beide Einrichtungen trennen.
Das Wohnheim „Radost“ gehört heute zur Diakonie West. Als eines von wenigen Wohnheimen in der Tschechischen Republik nimmt es auch Erwachsene mit Autismus an. Unsere Schule verlor also ihr Wohnheim und das war für uns gar nicht einfach. Die Eltern wollten für ihre Kinder nicht nur eine Schule, sondern auch eine Form von betreutem Wohnen. Als wir das nicht mehr bieten konnten, gingen sie woanders hin.
Warum wollen die Eltern für ihre Kinder einen Wohnplatz?
Damit sie sich um sich selbst, um ihre Arbeit und um die Geschwister kümmern können. Ein Kind mit schwerer Behinderung in der Familie zu haben ist äußerst anspruchsvoll. Darum können Eltern, wenn sie es wünschen, und wenn wir die Kapazität haben, ihr Kind unter der Woche von uns in der Schule und im Internat betreuen lassen, am Wochenende holen sie das Kind nach Hause.
Wir bieten auch eine Ganztagesbetreuung an, also die Kinder sind bei uns werktags von sieben bis vier Uhr nachmittags und die Eltern können normal zur Arbeit. Das ist überhaupt nicht gewöhnlich. Heute waren bei mir Eltern, deren Tochter von einer Schule in Pilsen abgelehnt wurde, weil das Kind epileptische Anfälle hat und sich oft aggressiv zeigt. Aber es kann nicht sein, dass so ein Kind im Alter von 14 Jahren zu Hause bei der Mutter eingesperrt wird. Wir haben es so besprochen, dass wir es versuchen und das Mädchen zu uns kommt.
Das Internat befindet sich in dem sehr schön restaurierten historischen Gebäude der alten Schule in Merklín. Wie sind Sie dazu gekommen?
Wir suchten überall nach einem möglichen Gebäude und fragten auch in der Evangelischen Gemeinde in Merklín. Der Kurator der Gemeinde Pavel Šalom hatte das Haus gerade restauriert und wollte es vermieten, also hat er uns eine der Wohnungen angeboten. Wirklich ein guter Ort. Mit dem Rest des Hauses hatte er erst andere Pläne, aber schließlich hat er sie geändert und somit ist in dem Haus unser Internat für 12 Menschen untergebracht. Weitere 12 Plätze haben wir im vergangenen Jahr eröffnet in einem weiteren restaurierten historischen Gebäude am Ort. Dort sind wir auch zur Miete. Das Haus hatte eine unserer Angestellten schon mit dem Ziel, dort das Internat hin auszuweiten, gefunden. Aber das genügt für uns nicht. Wir schauen uns schon nach weiteren Plätzen um.
Wie sind Sie persönlich zur Schule in Merklín gekommen?
Zufall. Ich habe nie gedacht, dass ich eines Tages mit Kindern mit Behinderung arbeiten würde. Studiert habe ich Tschechisch und Musik auf Lehramt für die weiterführende Schule. Als ich schwanger wurde, habe ich das Studium unterbrochen und nach der Elternzeit habe ich mir Arbeit gesucht. Marta Mikolová, die Gründerin der Förderschule in Merklín und des Wohnheims Radost, ist die Mutter meiner Mitschülerin aus dem Gymnasium. Sie suchte damals eine Erzieherin und so kam eins zum anderen. Im August 1995 habe ich angefangen und ich habe am Anfang einen Jungen mit Autismus betreut. Ich begleitete ihn beim Schulweg, im Bus vom Wohnheim zur Schule und zurück. Das war eine Feuertaufe. Ich wusste gar nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. So habe ich es gelernt. Ich habe mich immer weitergebildet und seit 2004 bin ich selbst Rektorin der Schule.
Welche drei Eigenschaften muss ein Mensch mitbringen, wenn er mit Kindern in Ihrer Schule arbeiten möchte?
Man muss die Arbeit mit Kindern mögen, das eigenständige Arbeiten und vor allem muss man die Arbeit von seinem Privatleben gut abgrenzen können. Kinder mit Behinderung oder Autismus zu unterrichten, das ist nichts, was man um des Geldes willen macht. Man braucht dazu eine Beziehung, anders würde man das nicht lange aushalten. Es ist außerdem unerlässlich, dass man die Arbeit nicht nach Hause nimmt. Man muss sich zu Hause ausruhen können, um am nächsten Tag wieder voller Energie zu starten. Auch wichtig ist ein gutes Team, was wir, meiner Meinung nach, hier haben. Unser Alltag ist sehr anspruchsvoll, wir sind eine große Schule, wir könnten nicht funktionieren, wenn wir nicht miteinander auskommen würden.
Haben Sie in der Zeit eine Krise erlebt?
Die ursprüngliche Schule bestand aus Containern. Das war nichts Schönes. Und so passierte uns einmal dieses: Ohne dass sie sich bei uns erkundigt hatten, zogen Eltern mit ihrem autistischen Jungen nach Merklín. Davor lebten sie über 100 Kilometer entfernt in einer Stadt. Ein Berater hatte ihnen unsere Schule empfohlen. Sie verkauften ihr Haus und kamen in unsere Gegend. Als sie dann zum ersten Mal unsere Schule sahen, haben sie ziemlich direkt gesagt, wie schrecklich die Schule aussieht. Das war so ein letzter Impuls dafür, dass wir anfingen das Gebäude richtig zu restaurieren und zu erweitern. In dem ersten Gebäude hatten wir bereits nur schwerlich genug Platz. Wir haben ein Projekt ausgeschrieben, gebaut auf EU-Mitteln, nur dass sie in der Zeit alle Mittel einstellten, weil es den Verdacht gab, dass Gelder unterschlagen wurden.
Das mühsam vorbereitete Projekt landete in der Schublade. Am Ende hat uns die Diakonie mit ihrem damaligen Leiter David Šourek und das schweizerische Hilfswerk HEKS geholfen. Die Schule haben wir umgebaut. Nicht direkt nach den ursprünglichen Vorstellungen, aber auf der anderen Seite war das so ein Durchbruch, der uns weiter antrieb – es begannen immer mehr Kinder zu uns zu kommen und heute ist das so, dass wir die Schule weiter und weiter bauen können. Zu uns kommen Kinder aus allen Richtungen.
Das Beispiel, dass eine Familie über hundert Kilometer bis zu ihnen nach Merklín zieht, ist das einmalig oder kommt das häufiger vor?
Wir haben drei solcher Fälle. Wir sind dafür bekannt, dass wir Kinder gern mögen und sie nicht wegen schwierigen Formen von Autismus ablehnen. Darin sind wir uns durch alle Entwicklungen und alle Veränderungen auch immer treu geblieben, seit dem Jahr 1994. Seit der Zeit sind wir weithin bekannt.
Adam Šůra
P.O. Box 529, Černá 9,
CZ 115 55 Praha 1, Czech Republic
Tel: (+ 420) 221 988 211; Fax: (+ 420) 221 988 215
E-Mail: intl@etf.cuni.cz
Internet: http://web.etf.cuni.cz/ETFENG-1.html
Die Evangelisch-Theologische Fakultät der Karlsuniversität (ETF UK) ist die Nachfolgerin der Jan-Hus- Fakultät (1919–1950) und der Comenius-Fakultät (1950–1990). Im Jahr 1990 wurde sie in die Karlsuniversität eingegliedert. Die Verwaltung der Fakultät wird vom Dekan und dem Team der Prodekane geleitet, die auf vier Jahre in ihr Amt gewählt werden. Die Fakultät bietet Bakkalaureats- und Master-Studiengänge an – in evangelischer Theologie, Diakonie (Seelsorge und Sozialarbeit), ökumenische Studien, und verschiedene theologische Bereiche auf Doktoranden-Ebene. Die Fakultät ist ökumenisch für alle offen. Pfarrerinnen und Pfarrer der EKBB erhalten hier ihre Ausbildung.
Im Frühling dieses Jahres brach eine Gruppe von Studierenden und Lehrenden der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Karlsuniversität (ETF) nach Tel Moca in Israel auf, um zwei Wochen lang an archäologischen Ausgrabungen teilzunehmen. Damit wurde ein Projekt wieder aufgenommen, das von Professor Oded Lipschits, dem Leiter des Archäologischen Instituts der Universität Tel Aviv, und von Shua Kissilevitz initiiert wurde, die die archäologischen Ausgrabungen an dieser Stelle schon in den Jahren 2012 und 2013 geleitet hatte. Damals wurden die Überreste eines Tempels entdeckt, der vermutlich aus dem späten 10. Jahrhundert und der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts vor unserer Zeitrechnung stammt. Der Tempel ist monumental, nichts Vergleichbares aus dieser Zeit wurde bislang in Judäa gefunden. Seine Ausmaße entsprechen der Beschreibung des Ersten Tempels in der Bibel, allerdings sollte sich dieser in Jerusalem befinden und nicht mehrere Kilometer entfernt in Tel Moca. Die Entdeckung wirft somit mehr Fragen über die Geschichte, Gesellschaft und Kultur des frühen Judäa auf, als sie beantwortet. Die ETF beteiligt sich deshalb an der Erforschung dieses Tempels in Tel Moca, die nun wieder aufgenommenen wurde und auch in den kommenden Jahren fortgeführt werden soll – in der Hoffnung, Antworten auf die aufgekommenen Fragen zu finden. Nicht nur für die Studierenden und Lehrenden der ETF, sondern auch für die Öffentlichkeit wird es in den nächsten Jahren ohne Zweifel faszinierend sein, die Forschungsarbeiten zu verfolgen.
Die archäologischen Ausgrabungen in Tel Moca sind Bestandteil einer langjährigen Zusammenarbeit der ETF mit dem Archäologischen Institut der Universität Tel Aviv, die noch weitere archäologische Expeditionen in Israel umfasst (insbesondere die jährlichen Ausgrabungen in Tel Azeka) sowie Konferenzen (zuletzt im Juni dieses Jahres an der ETF in Prag) und Blockseminare (wir begrüßten etwa im März die bereits erwähnte Shua Kissilevitz in Prag, im November wird nun die Archäologin Alexandra Wrathall aus Tel Aviv zu uns kommen). Damit haben nicht nur die Studierenden der ETF die unschätzbare Möglichkeit, aus erster Hand etwas über die archäologischen Ausgrabungen in Israel zu erfahren. Diese liefern uns wichtige Informationen über die Geschichte des frühen Israel, die für Theologen und besonders für die biblische Forschung unermesslich sind.
Jáchym Šenkyřík, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ETF und Teilnehmer an der archäologischen Expedition nach Tel Moca im Frühling 2019
In diesem Jahr feiern zwei evangelisch-theologische Fakultäten auf dem Gebiet der früheren Tschechoslowakei die ersten hundert Jahre ihres Bestehens: die heutige Evangelisch-Lutherische Theologische Fakultät der Comenius-Universität in Bratislava und die Evangelisch-Theologische Fakultät der Karls-Universität in Prag.
Beide Fakultäten entstanden kurz nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik und begannen ihren Lehrbetrieb im Herbst des Jahres 1919. Die Wurzeln beider Institutionen liegen im Umfeld der theologischen Fakultät Wiens, und ihr gemeinsames Hauptmerkmal war, dass von Anfang an nicht auf Deutsch, sondern auf Tschechisch bzw. Slowakisch gelehrt wurde. Nichtsdestotrotz gab es immer Unterschiede, besonders wegen der unterschiedlichen historischen Entwicklung der evangelischen Kirchen in den einstigen Königreichen Böhmen und Ungarn. Die Fakultät in Bratislava diente in erster Linie den slowakischsprachigen lutherischen Kirchen nicht nur in der Slowakei, sondern auch zum Beispiel im tschechischen Teil Schlesiens. Im Gegensatz dazu nahm die Fakultät in Prag bald den Charakter einer in erster Linie reformierten (calvinistischen) Lehranstalt an, sodass ungarische reformierte Studenten zum Studium aus der Slowakei dorthin kamen.
Trotz dieses grundlegenden dogmatischen Unterschieds können wir jedoch in der Geschichte der beiden theologischen Lehranstalten viele Gemeinsamkeiten und auch Belege von brüderlicher Zusammenarbeit entdecken. An erster Stelle zu nennen ist hier die tschechoslowakische Fachzeitschrift Theologia evangelica, die seit 1948 von beiden Fakultäten gemeinsam herausgegeben wurde. Ihr Erscheinen wurde im Jahr 1951 vom kommunistischen Regime gewaltsam beendet.
Eine neue Ära intensiver gemeinsamer Beziehungen der beiden Fakultäten ist erst in den vergangenen Jahrzehnten zu erkennen, nachdem die beiden Institutionen nach der Teilung der Tschechoslowakei in zwei unabhängige Staaten in die örtlichen Universitäten eingegliedert worden waren. Heute begegnen wir regelmäßig slowakischen Studenten in Prag und tschechischen Hochschullehrern in Bratislava. Die Lehrenden beider Institutionen treffen sich zudem regelmäßig mit einem wissenschaftlichen und geselligen Programm. Schließlich feiern beide Fakultäten in diesem Jahr auch gemeinsam die hundert Jahre ihres Bestehens als Jubiläum der tschecho-slowakischen evangelischen Theologie.
Ota Halama
Interessieren Sie sich für Neuigkeiten aus unserer Kirche?