Standard, aber einzigartig

#Fakultät   Das Studium der Theologie hat eine lange Tradition, was aber nicht heißt, dass es sich nicht der aktuellen Zeit anpasst. Prodekan Mag. Dr. Petr Gallus stellte uns das Studium an der Evangelisch-Theologischen Fakultät (ETF) der Karlsuniversität vor und erklärte uns, warum das Studium der Theologie für diejenigen geeignet ist, die Antworten auf ihre Fragen gern in einer Vielzahl von Quellen suchen.

Standard, aber einzigartig
Standard, aber einzigartig

Petr Gallus studierte Evangelische Theologie an der ETF der Karlsuniversität, wo er heute lehrt und die Position des Prodekans innehat. Er verbrachte einen Teil seines Studiums in Deutschland und arbeitete als Juniorprofessor an der Universität Heidelberg. Einige Zeit war er auch Pfarrer der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder.

Was zeichnet die Evangelisch-Theologische Fakultät der Karlsuniversität aus?
Die evangelische (protestantische) Theologie kann in der Tschechischen Republik nur an unserer Fakultät studiert werden, das ist schon einmal eine irgendwie geschenkte Grundlage der Einzigartigkeit in unserem Land. Im Vergleich zu evangelischen Fakultäten in anderen Ländern ist es jedoch umgekehrt – wir sind eine „Standardfakultät“ mit allem, was seit der Reformation zu einer evangelisch-theologischen Fakultät gehört. Die Organisation des Studiums an der ETF orientiert sich an deutschen Universitäten, und das ist ein großes Plus für Studierende, die zum Studium ins Ausland gehen, da der Einstieg in das System dort oder die Rückkehr nach Tschechien sehr einfach ist.

Was macht Ihre Fakultät sonst noch einzigartig?
Ein sehr wichtiges Element ist die Vielfalt, sowohl unter den Studierenden als auch insbesondere unter den Lehrenden. Sie kommen nämlich aus allen möglichen Ecken, Interessen, Richtungen – wir haben hier Gläubige aller christlichen Strömungen, aber auch Atheisten. Hier trifft man wirklich auf sehr viel Pluralität – an Menschen, Einstellungen, Meinungen. Wir versuchen, die Studierenden in eine breite Diskussion darüber einzubeziehen, welchen Platz Glaube und Religion in der heutigen Welt einnehmen, und dann muss jeder einzelne von ihnen seine eigene Antwort finden. Unsere Fakultät ist die kleinste an der Karlsuniversität, was ein Vorteil für die Kommunikation mit den Studierenden und für das ganze Funktionieren der Fakultät ist. Wir kennen alle Studierenden persönlich und unsere Studiengruppen sind kleiner. 

Welche Berufe ergreifen Ihre Absolventen?
Neben der Evangelischen Theologie können bei uns zwei weitere Bachelorstudiengänge absolviert werden – Theologie christlicher Traditionen sowie Pastoral- und Sozialarbeit. So können sich beispielsweise Absolventen des letztgenannten (und ggf. darauf aufbauenden Master-) Studiengangs eine Stelle als Sozialarbeiter suchen, etwa in Krisenstäben. Absolventen der Theologie christlicher Traditionen bekommen einen allgemeinen Überblick über christliche Strömungen und die Einbindung des Christentums in den interreligiösen Dialog, erhalten eine allgemeine human- und geisteswissenschaftliche Ausbildung und können sich als Lehrer, in der staatlichen Verwaltung etc. betätigen. Absolventinnen und Absolventen der Evangelischen Theologie sind in vielen Fällen als Geistliche ihrer Kirchen tätig, können aber auch im pädagogischen oder gemeinnützigen Bereich sowie in der staatlichen Verwaltung tätig sein. Welchen Studiengang ein Student an unserer Fakultät auch durchläuft, er sollte sich die Grundkompetenzen der human- und geisteswissenschaftlichen Bildung aneignen, Texte formulieren und schreiben, sich bei komplexen Problemstellungen orientieren und Lösungen finden können. 

Muss ein Bewerber um ein Studium an der ETF bereits Glaubenserfahrung haben beziehungsweise gläubig sein?
Überhaupt nicht. Das Hochschulstudium steht jedem offen, der bei den Aufnahmeprüfungen einen bestimmten Kenntnisstand nachweist. Daher sollten in erster Linie Wissen und Fähigkeiten eine Rolle spielen, nicht irgendein bestimmter existentieller Fokus. Allerdings sollten die Studierenden damit rechnen, während des Studiums bei uns dem Glauben zu begegnen – sie bekommen die Möglichkeit herauszufinden, was Glaube bedeutet und welchen Stellenwert er in der heutigen Welt einnimmt.

Können Studierende der ETF im Rahmen des Studiums ins Ausland gehen? Wohin zieht es die meisten?
Auf jeden Fall. Schon seit einigen Jahren gilt an unserer Fakultät, dass reisen kann, wer will. Unsere Studenten haben unzählige Möglichkeiten, ins Ausland zu gehen, zum einen in ganz Europa durch das ERASMUS-Programm, zum anderen durch andere Programme etwa in die Vereinigten Staaten. Die beliebtesten Reiseziele sind eindeutig Deutschland, die USA, die Schweiz, Finnland und Österreich.

Was bedeutet Theologie für Sie?
Arbeit und Hobby zugleich. Kritisches Nachdenken über einen Glauben, der aufhört, etwas eindeutig Gegebenes zu sein, und ein bunter und vielfältiger Boden unter den Füßen wird. Die Theologie ist eigentlich ein interessanter, kritischer Spiegel des Glaubens.

Barbora Dvořáková