Erfahrungen eines deutschen Auslandsvikars in der EKBB

17. März 2025

(aus Český Bratr 12/2024) Interview mit Jakob Vocke, einem jungen Pfarrer aus Bayern, der für ein Jahr die Smíchover Gemeinde und die Zentrale Kirchenkanzlei verstärkt.

Erfahrungen eines deutschen Auslandsvikars in der EKBB
17. März 2025 - Erfahrungen eines deutschen Auslandsvikars in der EKBB

Jakob Vocke stammt aus der kleinen Stadt Schweinfurt in Nordbayern. Mit 14 Jahren reiste er zum ersten Mal allein mit dem Zug nach Tschechien und hat sich, wie er sagt, seitdem in das Land verliebt. Nach einem Praktikum in einer Kultureinrichtung in Polen studierte er Theologie in München, Prag und Leipzig. Nach seinem Studium absolvierte er ein dreimonatiges Praktikum in der evangelischen Gemeinde in Uherské Hradiště. Anschließend absolvierte er ein Vikariat in Selb, wo er in grenzüberschreitende Projekte mit den Gemeinden in Aš und Cheb eingebunden war. Beeindruckt von dieser Erfahrung bat er seine Heimatkirche, die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB), um die Möglichkeit, nach seiner Ordination die Beziehungen zur Tschechischen Republik durch ein Spezialvikariat zu vertiefen. Seit September 2024 arbeitet er in der Gemeinde in Prag-Smíchov und ist zudem einen Tag pro Woche in der Ökumene-Abteilung der Zentralen Kirchenkanzlei (ÚCK) tätig.

Ich war bei unserem ersten Treffen überrascht, dass du fließend Tschechisch sprichst. Wo bist du der tschechischen Sprache begegnet und wie hast du sie so gut gelernt?

Ich würde es noch nicht fließend Tschechisch nennen, sondern ich lerne noch. Natürlich habe ich bei meinen ersten Besuchen in der Tschechischen Republik Tschechisch gehört, aber richtig gelernt habe ich es erst während meines Studiums. Während dieser Zeit war ich jedoch nicht gezwungen, ausgiebig Tschechisch zu sprechen, da ich mich in einem internationalen Umfeld befand. Abgesehen vom Sprachkurs hilft mir heute am meisten, dass ich einfach zum Sprechen gezwungen werde und dass die Leute freundlich und rücksichtsvoll sind, wenn sie mit meinen Kenntnissen Geduld haben müssen.

Seit diesem Herbst arbeitest du in der Gemeinde Prag-Smíchov, einen Tag in der Woche bist du auch in der Kirchenkanzlei tätig. Wie bist du zu dieser Tätigkeit gekommen? Wie funktioniert hierbei die Zusammenarbeit zwischen EKBB und ELKB?

Bei einer tschechisch-deutschen Veranstaltung während meines Vikariats habe ich Leute aus der Kirchenleitung (ELKB) auf die Möglichkeit eines solchen Auslandsaufenthalts angesprochen. Die Leute von der Kirchenleitung waren sofort sehr offen für meine Idee und schlugen eine Stelle teils in der Gemeinde und teils in der Ökumeneabteilung vor. Ich war sehr angetan, und auch die EKBB war von Anfang an sehr offen, so dass alles recht reibungslos verlief. Ich bin der ELKB und dem EKBB sehr dankbar, dass ich nach Prag kommen und hier eineinhalb Jahre in der Gemeinde Smíchov und in der Ökumeneabteilung der Kirchenkanzlei arbeiten kann.

Kannst du kurz skizzieren, worin deine Arbeit an beiden Orten besteht und wie lange dein Engagement in Prag dauern wird?

Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, denn meine Stelle hat keine Vorgänger und wahrscheinlich auch keine Nachfolger. Insofern kann ich mich mit meinen Kollegen in der ÚCK, bzw. mit dem Pfarrer und der Ältestenschaft von Smíchov, frei darüber verständigen, was ich tun kann und will. Es geht darum, Erfahrungen zu sammeln, wie das Denken außerhalb eines festen Rahmens und die zwischenkirchliche Zusammenarbeit beide Seiten bereichern kann. Indem ich zum Beispiel lerne und ausprobiere, wie Konfirmandenarbeit, Gottesdienste oder Bibelstunden hier aussehen, kann ich wichtige Erkenntnisse für die Arbeit der Kirche in Bayern gewinnen und weitergeben. In der Kirchenkanzlei wiederum ist es eine Gelegenheit zu sehen, wie Kirche unter anderen Bedingungen aussehen kann, denen wir uns in Bayern langsam annähern, und ich kann dazu beitragen, die Zusammenarbeit zwischen unseren Kirchen zu vertiefen. Insbesondere zum Beispiel bei der Vorbereitung und Durchführung von Treffen für kirchliche Mitarbeiter oder Gemeindeglieder.

010302_05_118009

Wie hat die Smíchover Gemeinde dich aufgenommen?

Die Aufnahme in Smíchov war sehr nett. Obwohl meine Sprachkenntnisse noch verbesserungswürdig sind, sind viele Leute sofort auf mich zugegangen und haben mich von Anfang an als Teil der Gemeinde akzeptiert. Ich bin sehr froh, in dieser Gemeinde arbeiten zu können.

Du bist erst seit relativ kurzer Zeit in Prag, also bist du wahrscheinlich noch dabei, dich einzugewöhnen. Was hat dich an unserer Kirche am meisten überrascht?

Ich wusste schon ein wenig über die Kirche, aber es fasziniert mich immer wieder, wie die EKBB es schafft, eine liberale Kirche zu sein, die in die Gesellschaft hineinwirkt und gleichzeitig mit aller Ernsthaftigkeit die Verbindlichkeit vermittelt, die mit dem Ruf zum Glauben an Jesus Christus einhergeht. Obwohl sie sich nicht auf solche finanziellen Mittel wie die ELKB stützen kann, besucht fast ein Drittel der Gemeinde, Jung und Alt, regelmäßig die Gottesdienste, selbst wenn der Gemeinderaum nur ein kleines Zimmer im alten Pfarrhaus ist. Gerade dieser zweite Teil ist etwas, das meiner Meinung nach bei Begegnungen mit z.B. skandinavischen oder deutschen Kirchen unbedingt hervorgehoben werden sollte.

Wenn ich mich nicht irre, hast du dein Studium zum Pfarrer abgeschlossen. Hast du schon eine Vorstellung davon, in welche Richtung dein beruflicher Weg gehen wird? Gibt es eine bestimmte Gemeinde, in der du gerne arbeiten würdest?

Eine konkrete Gemeinde habe ich noch nicht, aber nach meinem Aufenthalt in Prag werde ich voraussichtlich nach Bayern zurückkehren, wo ich zunächst einen sogenannten Probedienst absolvieren werde, um mich dann frei auf eine Pfarrstelle bewerben zu können. Ich hoffe sehr, dass ich einen Ort finde, an dem ich mit der Zusammenarbeit mit der EKBB auf Gemeindeebene oder auf der Ebene einer größeren Einheit (z.B. eines Dekanats oder eines Kirchenkreises) weitermachen kann.

Was hat dich während deines bisherigen Aufenthalts in der Tschechischen Republik am meisten bereichert? Was hat bei dir den stärksten Eindruck hinterlassen?

Es sind nicht wirklich nur einzelne Dinge. Viele der oben beschriebenen Eindrücke haben mich bereichert. Insgesamt bin ich einfach sehr froh, dass ich von Anfang an so gut aufgenommen wurde und dass ich trotz meiner begrenzten Tschechisch-Kenntnisse so viele tolle Begegnungen und Erfahrungen hatte und habe.

 

vorbereitet von Adéla Rozbořilová

Fotos: Jiří Hofman

Newsletter

Interessieren Sie sich für Neuigkeiten aus unserer Kirche?